OB Kandidaten – Anton Behringer: „Freiburg den Freiburgern“

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Anton Behringer ist ein weiterer Freiburger OB Kandidat, dessen Programm und Auftreten vor allem eines enthüllt: Das er sich mit der Kommunalpolitik in Freiburg noch nicht so intensiv befasst hat. Dafür findet er aber in seinem Wahlprogramm einen Schuldigen für alle Probleme Freiburgs – Stau, vermeintlich verfehlte Klimaziele, Wartezeiten beim Arzt, mangelnde Kita Plätze – Zuzug!

Man hat es Sprachlich nur bedingt…

Während das Wahlprogramm von Martin Horn im sprachlich ungefähren und unklaren bliebt, findet sich im Wahlprogramm von Anton Behringer immer der „man“: „könnte man“, „Man denke“, „sollte man“. Und daran besteht auch das sprachliche Crux dieses Wahlprogramms: Bei ganz vielen Forderungen geht es darum, dass „man“, also nicht der Oberbürgermeister, der er gerne werden will etwas tun sollte. Offen bleibt dann wer, weil viele der Forderungen gar nicht von der Stadt Freiburg oder dem Oberbürgermeister umgesetzt werden könnten. Etwa gegen die Deutschlandweite Hebammen Unterversorgung, den angeblich Lehrermangel oder für die Zugkapazität auf der Rheintalstrecke (die gerade ausgebaut wird auf vier Gleise) kann der Freiburger OB nix.

Zumachen für Zuzug – „Freiburg den Freiburgern“

Und dann wird „man“ noch ein wenig Zuzugsfeindlich oder sollte ich besser sagen „man“ will im Grunde Artikel 11 des Grundgesetzes außer Kraft setzen: „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“ Denn „man“ fordert:

„Daher plädiere ich für eine bevorzugte Vergabe der Immobilien (Verkauf und Vermietung) an die Bewohner_innen von Freiburg. Natürlich muss es z.B. für Studierende, Fachkräfte, ehemalige Bewohner*innen Freiburgs oder Verwandte Ausnahmen geben (…) Hätte man mit dieser Privilegierung bereits vor einigen Jahren in Freiburg begonnen, würde heute keine derartige Wohnungsnot herrschen. Die Verkehrsprobleme, der hohe Schuldenstand der Stadt Freiburg, das Fehlen von Kita- und Betreuungsplätzen, die Verfehlung der Klimaziele etc. sind maßgeblich auf diese verfehlte Politik zurück zu führen. Denn, da bis dato alle Käufer und Mieter de facto gleichberechtigt waren, sind in den letzten Jahren viele Menschen von außerhalb nach Freiburg gezogen, was die Einwohnerzahlen nach oben trieb“

Jetzt habe ich ihn am 21.3. auf der Veranstaltung von „Freiburg Lebenswert“ befragt, wie er das umsetzen will. Er schlägt ein „Bauplätze nur an Einheimische Modell“ vor. Genau Details hat er nicht verraten. Jetzt gibt es aber bei diesen Modell zwei Pferdefüsse:

1. Die Entscheidungen Az. C-197/11 und C-203/11 des Europäischen Gerichtshofs zur Bevorzugung Einheimischer bei Grundstücksvergaben. Zum Teil hat der EuGH diese für unzulässig erklärt. Rechtsanwältin Dr. Stefanie Minzenmay fasst die Möglichkeiten der Gemeinden so zusammen:

„Eine Bevorzugung allein aufgrund der Qualifizierung des Investors als Einheimischer ist jedenfalls ungeeignet. Dass ein Haushalt jährlich nur über ein bestimmtes Einkommen verfügt, könnte dagegen eines der Kriterien sein, welches dann auch von Auswärtigen erfüllt werden kann und muss. Die gesamte Förderung ist zudem darauf hin zu überprüfen, dass es keine Maßnahmen gibt, die gleich wirksam wären und dabei weniger stark in die Grundfreiheiten der EU-Bürger eingreifen würden.“

Scheinbar sind Regelungen möglich bei denen (geringes) Einkommen ein Teil der Kriterien für Bauplatzvergabe ist und einige Gemeinden regeln, das auch so. Soweit ich das weiß, hat man das beim Reihenhausprogramm in Weingarten damals auch so gemacht. Alleine an die Herkunft, darf man aber die Vergabe nicht koppeln. Sondern in der Regel bilden die Gemeinden eine Art Punktekatalog aus Einkommen, Herkunft, sozialem Engagement, etc….

Der zweite Pferdefuß wäre, dann aber zu überlegen ob man damit wirksam den Zuzug nach Freiburg begrenzen kann. Jährlich kommen in Freiburg etwa 600 – 800 Wohnungen neu dazu. Das ist etwa 1% des Marktes und 80% des Wohnungsmarktes sind in privater Hand. In ganz Baden-Württemberg wohnten 2014 51,3% in Eigentum, wohlgemerkt diese Quote gilt für städtische und ländliche Räume, in der Stadt wohnen in der Regel deutlich weniger Menschen im Eigentum und auf dem Land gibt es oft kaum Mietwohnungen

Diese „Stadtkinderregelung“, wäre aber nur auf Neubau anwendbar und nur auf solchen der öffentlichen Hand. Die meisten Wohnungen entstehen aber durch private Bauträger (auch Genossenschaften). Aktuell hat die Stadtbau etwa 67 Wohnungen zum Kauf auf ihrer Website. 

Selbst wenn so ein Modell rechtlich Bestand hätte es wäre nur ein minimaler Effekt zu erzielen.

„Man“ hat sich noch nicht so recht informiert

Und dann findet „man“ im Programm des Kandidaten doch einige Punkte, die schlicht darauf schliessen lassen, das „man“ sich mit der Situation in Freiburg, noch nicht so intensiv auseinandergesetzt hat. Auch in der Veranstaltung mußte „man“ immer wieder bei konkreten Fragen passen.

Dazu einige Beispiele:

„Der Rathaus-Neubau verschlang alleine 80. Mio €. Natürlich waren die tatsächlichen Kosten dann höher als die geplanten.“

In der Anlage zur Drucksache G-12/085 findet sich eine Kostenaufstellung. Die rechnet die Kosten für Bau, Betrieb der Bestandsgebäude gegen die von Neubau. Selbst wenn man jetzt die 5.4 Mio Euro Mehrkosten addiert, fährt man über die Lebenszeit des Gebäudes, noch immer 25 Mio. Euro billiger. Aber wen störts, wenn man so schön in das Vorurteil „Protziges Rathaus und Geldverschwendung“ befriedigen kann.

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„Mehr Investitionen in Internet und digitale Infrastruktur. Die Universitätsstadt Freiburg ist da hintendran. Flächendeckendes, schnelles Internet zu fairen Preisen muss das Ziel sein. In der Vergangenheit wurde hier viel zu wenig dafür gemacht“

Ich habe ihn beim Kandidatenabend der Freiburg Lebenswert dann gefragt, wie er dass misst. Die Antwort war „diverse Studien“. Ich habe dann konkret die IHK Studie angesprochen, die den gesamten Kammerbezirk beleuchtet. Und übrigens Freiburg auf 80% der Haushalte Breitbandinternet bescheinigt. Aber klar es gibt im Kammerbezirk halt auch Schwarzwald und da ist es schlechter. Auch auf Nachfrage konnte er keine Stadt nennen in der es besser läuft. Wie konkret er das machen will, hat er auch nicht gesagt.

„Die diskutierten Fahrverbote bedeuten m.E. eine extreme Härte gegenüber Dieselfahrer*innen, daher lehne ich sie ab“

Hier kam auf meine Nachfrage, erstmal der Vorwurf ich sei „gesteuert“ und „sie können sich ja denken warum ich ihre Email mit dieser Frage nicht beantwortet habe.“ Kann ich mir leider nicht denken und auf Nachfrage, erzählte er etwas von einem Luftreiniger den „man“ der Stadt Freiburg vor Jahren angeboten hat und den sie nicht genommen habe. Übrigens laufen in Stuttgart gerade Versuche mit Mooswand, Kehrmaschienen und ähnlichem, ohne großen Erfolg. Das er das im Zweifel nicht entscheidet, sondern ein Verwaltungsgericht mußte er dann schon einräumen.

Am Stammtisch der Mooswaldbierstube

Irgendwie kam mir dabei der Eindruck, dass sich Anton Behringer argumentativ häufig eher auf Stammtischniveau bewegt. Bezeichnend die Kurzzusammenstellung von Salomons „Bilanz“ auf einem Flyer den er verteilte:

Etwa mit der Aussage: „Der Schuldenberg wächst rasant“, dabei hat der Gemeinderat im letzten Doppelhaushalt zwar 72 Mio. Schulden genehmigt, die aber wegen der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung nicht aufgenommen wurden oder dem Vorwurf die Verwaltung würde Schulden in Gesellschaften verstecken und damit die Stadt zumSschein sanieren. Was so vereinfacht auch nicht stimmt und im Chili Magazin sehr detailliert aufgearbeitet wird. Warum etwa Schulden bei der Stadtbau, dann auch Werte wie Wohnungen gegenüber stehen.

Sicherlich kommt so eine Argumentation in der Mooswaldbierstube schon bei einigen Leuten an. Aber „man“ oder besser die informierte Beobachterin in Gestalt der robusten Gerlinde Schrempp (!), selber eher in Oppostition zu Salomon, sah sich genötigt ihn dann immer mal wieder zu korrigieren, Fakten klarzustellen und die Stadt zu verteidigen: Etwa als er die schlechte Kinderbetreuungituation bemängelte und sie bemerkte, Freiburg habe die beste Betreuungsquote in Baden-Württemberg. Oder er sich darüber beklagt, dass die Strassenbahn nicht nach Gundelfingen fahre und sie ihm erklärte, dass damals die Gundelfingen das nicht wollten, weil Geschäftsbesitzer um den Abfluss von Kaufkraft fürchteten.

Fazit

Insgesamt waren bei diesem Freiburg Lebenswert Abend rund 30 Leute da, davon drei Stadträte von FL. Das Publikum war mindestens 50 eher Richtung 70. Stimmung kam nicht auf. Verpasst hat man nix, wenn man nicht da war. Zukunft für Freiburg ist auch was anderes. Wenigstens die Leberle sauer mit Brägele waren essbar. Warum aber jemand, der in vielen Punkten schlicht uninformiert ist Oberbürgermeister werden will, kam nicht so wirklich raus. Und bei Freiburg Lebenswert aufzutreten und nicht zu wissen, was die Spiegelvariante ist. Das ist ungefähr so, wie wenn vor Protestanten auftritt und nicht weiß wer Luther war.

Update: