Eine neue Kinderstudie für Freiburg?

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Quelle: Baldo Blinkert

Gleich zu Beginn seines Vortrages lies Baldo Blinkert eine kleine Bombe platzen: Das DKHW bzw. er hätten die Stadt Freiburg angefragt ob sie sich bei einer Wiederholung der Studie beteiligen wolle, die das Deutsche Kinderhilfswerk gerade in fünf Städten durchführt. Die Stadtverwaltung habe – ohne die Stadträte zu informieren – abgelehnt, man sei derzeit mit der Betreuungssituation U/Ü 3 beschäftigt und bei der Studie 1994 habe man ja bereits gute Ergebnisse erziehlt.

Baldo Blinkert - Bild Lisa HörigIn den aktuellen Studien und auch der von 1994 kam heraus: wie häufig und wie lange Kinder draussen spielen, hängt von der Aktionsraumqualität des öffentlichen Raumes ab.

Aktionsraumqualität ist dabei ein Raum, der zugängllich, ungefährlich, gestaltbar ist und bei dem die Chance besteht andere Kinder zu treffen. Dabei verstehen Soziologen wie Baldo Blinkert den Raum nicht als Container (wie etwa ein Zimmer) sondern als ein als relationales Konzept, der stark mit sozialen Beziehungen zu tun hat.

Denn 74% der Varianz ob Kinder draußen spielen dürfen kann erklärt werden durch Wohnumfeld, soziales Klima und dme Alter der Kinder.

Warum ist draussen spielen nun so wichtig für Kinder? Zum einen weil sich die Kinder bewegen und dies dann Übergewicht oder anderen Krankheiten vorbeugt, zum anderen aber auch weil dies die Kinder besser in der Schule werden lässt und die für ihre Entwicklung wichtige  Risikokompetenz steigert. Auch gibt es ihnen einen Raum ihre Kreativität, gemeint ist damit das Erkunden, Herstellen, das Sinnstiften im Rahmen von Erzählen und  Erkennen, auszuprobieren und zu fördern.

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Quelle: Baldo Blinkert

Erhoben wurde neben der Einstellung der Eltern, wie etwa ihr Sicherheitsbedürfnis und ihre Einstellung zum Lernen der Kinder auch ihre Einschätzung der Sicherheit und des Klimas im Stadtteil. Bei den Kindern über ein Tagebuch ihre Aktivitäten an 3 normalen Werktagen: Wie lange sind Kinder draussen ohne Aufsicht? Wie lange TV? Wie lange Computer? Wie lange in der Nachmittagsbetreuung?

Einer der eindrücklichsten Ergebenisse war: Ist die Aktionsraumqualität sehr schlecht dürfen 75% der 4 Jährigen nicht draussen spielen ohne Aufsicht ist sie sehr gut, dann dürfen 98% draussen spielen , ohne dass die Eltern auf die Kinder schauen. Auch auf die Nachfrage nach Betreuungsangeboten, wie etwa Kindertageseinrichtungen, hat die Aktionsraumqualität Auswirkungen: Je schlechter Wohnumfeld desto mehr geben die Eltern die Kinder in Betreuung und desto weniger ist es für sie vertretbar, sie draussen alleine spielen zu lassen.

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Quelle: Baldo Blinkert

Mit dem sinken der Aktionsraumqualität steigen auch die Phasen des täglichen Medienkonsums. Wobei man sich inzwischen von den Befunden der 90er Jahre, dass Medien sind immer schlecht seien, gelöst hätte und in der Forschung akzptiert, das Medien immer zu unserer Welt gehören. Für seine Studie hat Baldo Blinkert unterschieden zwischen Vielnutzern, also solchen Kindern, die mehr als 120 min täglich Medien nutzen und solchen die weniger nutzen. In Stadtgebieten mit schlechter Aktionsraumqualität ist diese Nutzung höher.

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Seine Zentrale Ergebnisse hat er durch eine Clusteranalyse herausfiltriert. Und unterscheidet zwei Typen von Kindheit:
autonome Kindheit —> Kinder die viel unternehmen, viel draussen sind, selbständig sind, Angebote nutzen: Sport, Musik, dies umfasst ca. 55% und solche Kinder die eine
heteronome Kindheit erleben —> viel Kontrolliert werden, in Einrichtung betreut werden und wenig Anregung erfahren.

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Quelle: Baldo Blinkert

Folien zum Vortrag Baldo Blinkert Kinderstudie BW (PDF)

Gerade an seiner Verknüpfung von Einrichtungen als beaufsichtig, bewegungsarm und wenig Anregend ergab sich Kritik. So sei doch das pädagogische Angebot vieler Einrichtungen, auch gerade der offenen Kinder- und Jugendarbeit anders ausgerichtet.

Dramatisch sei jedoch der Zusammenhang zwischen  Urbanisierungsgrad und der Wohnumfeldqualität für Kinder. Je größer die Stadt, desto schlechter sei die Wohnumfeldqualität für Kinder.

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Quelle: Baldo Blinkert

 

Aus den Ergebnissen seiner Studien, leitet Baldo Blinkert folgende Forderungen ab:

  • Kontiniuerliches Montioring der Soziotopen, mit Soziotopen meint der die Zusammensetzung und das Klima in einem bestimmten Stadteil. Dies solle regelmäßig überprüft werden, davon Verwaltung und Politik berichtet. Ähnlich wie Biotope, seien auch die Soziotope zum Teil unter Schutz zu stellen.
  • Kinderpolitik als Sozial- und RAUM-Politik. Kinderpolitik werde zu häufig als Sozialpolitik oder Bildungspolitik verstanden. Zentral für das gute Aufwachsen der Kinder, ist jedoch das gebaute Umfeld.
  • Gegenstand einer Kinderpolitik: die ganze Stadt.
  • Partizipation: Kinder + Eltern. Durch Beteiligung von Kindern und Eltern an Planung und Gestaltung des Umfeldes wird dieses Kinderverträglicher.

Junges Freiburg hat diese Forderungen zum Teil in einer Pressemitteilung aufgegriffen.

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