Wohin ver.di Ortsverein Freiburg?

Seit Ausweitung des russischen Angriffskriegs auf die gesamte Ukraine, fällt der ver.di OV Freiburg und DGB Ortsverein durch befremdliche Positionierungen auf. Zunächst ein Jahr donnerndes Schweigen zur Situation, auch vorher gab es keine Positionierung zur russischen Annexion der Krim oder den Überfall auf den Donbass.

2023 war dann im vom Verdi Ortsverein unterzeichneten Aufruf zu einer “Friedensdemonstration” noch zu lesen: “Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg, an dem der Westen jedoch eine Mitverantwortung trägt. Inzwischen ist dieser Krieg zu einem Stellvertreterkrieg Russland-USA-Nato eskaliert”

Anlässlich des diesjährigen (2024) Ostermarsch, war im mit unterzeichneten Aufruf weder Kritik an Putin, Russland noch der Hamas zu lesen, aber die Forderung nach Auflösung der NATO und das Ende von NATO Manövern in der Nähe Russlands. Darauf angesprochen begründete das Friedensforum, das in Teilen personenidentisch ist mit dem ver.di Ortsverein den Verzicht auf Kritik mit Platzgründen.

Auch eine klare Abgrenzung zu Querdenken fehlt in diesem Bereich. Inhaltlich erscheint die Ausrichtung beim Thema ähnlich. Auch gibt es Überschneidung zu den Positionen, die die AfD bei diesem Thema vertritt. In der Öffentlichkeit bleibt häufig unklar ob eine Position von der Friedensbewegung, dem Ver.di / DGB Ortsverein vertreten wird. 

In das Gewerkschaftshaus, aber auch auf Kundgebungenwurde mindestens ein Referenten eingeladen, der den. sog. “Euromaidan” als westlichen Putsch darstellte und behauptete  “der Westen” sei Schuld am Ukrainekrieg. 

Querdenker mit blauen BUND Friedensfahnen auf Kundgebung

Sicherlich gibt es in und an der Ukraine vieles zu kritisieren, aber genau das ist in der Ukraine möglich, dort gibt es eben freie Gewerkschaften und eine freie Presse und einen Staat, der die Regelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention ernst nimmt. 

Es dürfte klar sein: Sollte Russland über die Ukraine siegen, Teile oder das ganze Land besetzen, dann wird es dort weder freie Gewerkschaften geben, noch Klimaschutz oder Demokratie. Die jeweils in befreiten Gebieten entdeckten Massaker russischer Truppen sprechen für sich. Russland fördert massiv in Europa rechtsextreme Parteien, wie die AfD und andere anti-demokratische Kräfte, die Arbeitnehmerrechte in Frage stellen.

Diese stehen im Gegensatz zu nahezu der gerammten Osteuropaforschung und der Beschlusslage des DGB: „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern die russische Regierung auf, die Kämpfe endlich zu beenden und die territoriale Integrität der Ukraine durch den Rückzug ihrer Truppen wiederherzustellen.“

Eine Position sollte aber stets die absehbaren Folgen einer ukrainischen Niederlage für die europäische Sicherheit in ihrer Risikoabwägung einbeziehen.

Vor allem die militärisch exponierten östlichen NATO/EU-Mitglieder gehen davon aus, dass Russland nur Stärke versteht, und schließen daraus, sie hätten bei „vorsichtigen Risikomanagement“ mehr zu verlieren als zu gewinnen.
Russland wird auf absehbare Zeit eine Bedrohung für die europäische Sicherheit bleiben, weil das Regime Putins seinen anti-westlichen Kurs zu der zentralen Rechtfertigung seiner Existenz und seines Herrschaftsanspruchs gemacht hat. Davon wird der Kreml nicht ohne Weiteres abrücken.

Aktuell ist nicht möglich, mit Russland über Auswirkungen des Klimawandels zu reden. Auch die sicherheitspolitischen Implikationen des Klimawandels sind gewaltig und für die europäischen Länder zu Recht ein wichtiges Thema. Gerade mit einer fossilen Macht wie Russland müsste ein konstruktiver Dialog stattfinden.

Schon vor der Vollinvasion 2022 waren für Putin Klimaschutz im besten Fall von marginalem Interesse. Russland hat derzeit schlicht kein Interesse an einer Kooperation in der Klimapolitik, auch weil Russland im Rahmen der Geopolitik der Energiewende aggressiv fossile Interessen vertritt.

Aber als Gewerkschaft sollte man sich solidarisch Zeigen und eine solche einseitige Positionierung, die defacto eine Parteinahme für den Angreifer ist und damit ein protofaschistisches, imperalistisches, revisionistisches Regime darstellt, unterlassen. 

Update: Im Nachgang haben mir zahlreiche Personen mitgeteilt, dass sie diese Positionierung des verdi OV nicht teilen und überlegen sich, wie sie sich verhalten wollen.

Meine Frage: Wie gehen wir mit Querdenkern in der Umweltbewegung um?

Am Dienstag 10.4. war Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe in Freiburg zu einem Vortrag im Hörsaal 1010 in der Uni, auf Einladung der BUND Ortsgruppe.

Im Saal waren die üblichen Vertreter der Freiburger Umwelt Szene, die Aufmerksam zuhörten und dann auch ihrem Idol fragen stellten. Die „Fragen“ waren dabei eher kleine Vorträge über ihre Aktivitäten und was ihnen so am Herzen liegt (neuen Stadtteil Dietenbach verhindern, kann da die Umwelthilfe nicht klagen … ).

Als erste Fragesteller nahm die Leitung Georg Löser (ecotrinova Verein, auf Querdenker-Demos mit „Impfaids Schild“), Tjark Voigts (Mobifunkgegner, Dietenbachgegner, Teilnehmer bei Querdenker Demos und Leserbriefschreiber) und Wolf-Dieter Winkler (Freiburg Lebenswert Stadtrat) dran. Kann man machen. Für einen Teil der Freiburger Umweltszene sind das verdiente Kämpfer mit viel Erfahrung und Renome über deren „Engagement“ bei Querdenken man hinwegsieht.

Auch ich meldete mich und fragte zunächst ob die DUH unseren Weltrekordversuch im Balkonsolarupcycling unterstützen wollte. Darauf antwortete Jürgen Resch mit einer Lobeshymne auf den BalkonSolar Verein und die Bewegung.

Wie hälst dus mit den Querdenkern?

Die zweite Frage sorgte dann für Reaktionen des Publikums: Gemurmel, Kommentare, aber auch Zustimmung und Dank.

Wie gehen wir mit Menschen um, die während der Hochzeit der Corona Pandemie ins Querdenker-Millieu abgedriftet sind, vorallem wenn die jetzt wieder in die Umweltbewegung „zurück“ kommen?

Ich wieß auch darauf hin, dass diese sich auch an diesem Abend geäußert hätten ohne das es problematisiert worden sei. Dann rief Tjark Voigts rein, in etwa „das tut doch nichts zur Sache“ und ich nannte auch seinen Namen.

Ich versuchte zu verdeutlichen, dass eine wissenschaftsorientierte Umweltbewegung den Ideologien von Querdenker*innen widerspricht und illustrierte dies anhand des Einflusses von russischer Propaganda auf die Querdenkerzszene und der damit einhergehenden (stillschweigenden) Akzeptanz negativer ökologischer Auswirkungen des russischen Extraktivismus, also des Abbaus von Öl, Gas, Uran als nahezu einzigem Exportgut Russlands mit dem wir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, mitfinanzieren.

Und das wirft dann eine Reihe von Fragen auf: Inwiefern sollte sich die Umweltbewegung abgrenzen? Wie kann stärker Haltung bezogen werden? Inwiefern schaden solche Unterwanderungen der Umweltbewegung, bzw. widersprechen deren Zielen und Werten? Warum werden diese Verflechtungen nicht stärker diskutiert?

Darauf gab Jürgen Resch keine so richtige und klare Antwort. Im Nachgang kamen 5 Leute zu mir und dankten mir für die Frage und eine Wissenschaftlerin will mich interviewen.

Querdenker Demo am 2.9.23 mit der Forderung nach Frieden am Hut

Immerhin weist etwa Michael Blume wiederholt darauf hin: „Noch immer finanzieren wir durch den Import fossiler Gewaltenergien wie Öl und Gas autoritäre, antisemitische und kriegführende Ressourcenfluch-Regime wie Russland, Iran und Katar samt ihrer terroristischen Proxies wie Wagner, Huthi, Hisbollah und Hamas.“

Aktuell geht man von mindestens zwei AfD Spitzenpolitikern aus, die problematische Kontakte zum russischem Regime haben und wohl von diesem Zahlungen erhalten haben. Es dürfte klar sein, dass Russland kein Interesse an Klimaschutz hat, würde es ja den Absatz russischen Gas und Öls deutlich reduzieren.

Um nochmal Michael Blume zu zitieren: “globale Allianz der Verbrenner”: Diese reicht von Charles & David Koch (USA) und internationalen Wissenschaftsleugner-Netzwerken über Wladimir Putin (Russland) und dem Medienmogul Rupert Murdoch (Australien) bis hinunter zur deutschen INSM (an deren Anti-Baerbock-Moses-Kampagne er auch meine Kritik erwähnt), zu Frank Schäffler (FDP), Aserbaidschan-Lobbyisten der CDU und Ex-Kanzler Gerhard Schröder (Gazprom & SPD).“

12.3.22 Demonstrant weißt darauf hin: Wir finanzieren mit Öl und Gas aus Rußland den Krieg gegen die Ukraine

Wahlomat Kontroversen 2024

Macht man einen Wahlomat, dann begibt man sich in ein kontroverses Feld.

Vorweg: Die Fragen wurden von der Chilli Redaktion entwickelt und unverändert übernommen. Es gibt kein Tracking der Nutzer oder eine Sammlung der Ergebnisse. 

https://wahlchilli24.sbamueller.com/

Während der Erstellung sorgte ein Boykottaufruf des Spitzenkandidaten von “Freiburg Lebenswert”, Wolf-Dieter-Winkler für befremden, er forderte andere Listen auf, nicht am Wahlomat mitzumachen und bezeichnete Sebastian Müller als “üblen Hetzer”, hatte damit aber keinen Erfolg. Dies ist wahrscheinlich auf den Vorwurf von Müller zurückzuführen, dass die Liste Freiburg Lebenswert bediene sich einer rechtspopulistischen Rhetorik. Eine entsprechende E-Mail liegt vor.

Eishockeyfreunde wittern Foulspiel

Auf ihrem Blog, bei Facebook und in einer Mail an mich und das Chillimagazin erklärt Pro Eissport Südbaden:

„Eine der zu bewertenden Thesen lautet: ‚Die Sanierung von (Gewerbe-)Schulen und der ÖPNV-Ausbau sind wichtiger als ein neues Eisstadion.‘ Als Verein Pro Eissport Südbaden e.V. möchten wir betonen, dass Stimmungsmache, eine Eishalle gegen grundlegende Infrastruktur wie Schulen und öffentliche Verkehrsmittel aufzuwiegen, (…) Ein Tool zur politischen Entscheidungshilfe wie der Wahl-O-Mat sollte in jedem Fall neutral bleiben und alle relevanten Themen objektiv behandeln. Die Bereiche Kultur, Sport, Verkehr und Bildung müssen selbstverständlich getrennt voneinander betrachtet werden“

Dazu möchte ich sagen: Die Thesen werden vom Chillimagazin erstellt, ich packe sie nur in die technische Form eines Wahl-O-Mats und stelle Server etc. zur Verfügung. Dies geschieht von meiner Seite ehrenamtlich und unentgeltlich.

Bei der Thesenerstellung ist zu beachten, dass die Aussagen zugespitzt und damit vereinfacht dargestellt werden müssen, das ist dem Format geschuldet. Sie müssen auch eine ausreichende Kontroversität erzeugen. Sprich die Parteien müssen sich dafür, dagegen oder neutral positionieren, damit eine Differenzierung möglich ist. Das ist durch die These auch gelungen.

Eine These wie “Die Unterstützung des Eissports liegt uns am Herzen” oder “Die Sanierung der Schulen ist wichtig”, würde keine Kontroverse erzeugen, sondern lediglich undifferenzierte Bejahung. Für den Bürger, wäre sie mit keinem Informationsgewinn verbunden. Er könnte seine Wahlentscheidung gar nicht daran ausrichten, wenn alle zustimmen. In diesem Fall kann er das und etwa CDU oder FDP wählen und die Grünen, Linke Liste, UFFf, Die Partei und andere nicht.

Jede politische Entscheidung ist immer eine Entscheidung der Prioritätssetzung. Bin ich für Radverkehr, dann geht das nicht ohne das ich Geld und Platz vom Automobilverkehr wegnehme. Bei Kommunen kommt in besonderer Weise hinzu, das sie keine Möglichkeit haben selbst unbegrenzt Steuern zu erhöhen, zu erfinden und auch nicht unbegrenzt Schulden machen dürfen.

Die Entscheidung für ein neues Eisstadion, mit seinen möglichen Kosten von 25 bis 50 Mio EUR, bedeutet eben, dass dieses Geld dann nicht zur Verfügung steht für die Sanierung von Schulen oder den ÖPNV Ausbau oder Bunkerbau, neue Solaranlagen, den Bau eines neuen Rathauses oder, oder, oder.

Deshalb ist es aus meiner Sicht keine unangemessen Frage oder entstellende Zuspitzung.

Neutralität in Medien

„Wahlomat Kontroversen 2024“ weiterlesen

Panels und Plaudereien

Zusammen mit Julian Mutter von Solisar.Solar, einem Freiburger Steckersolarhändler, machen wir einen wöchentlichen (so haben wir es mal geplant) Podcast. Das Bild zeigt uns bei der Aufnahme in einem improvisierten Studio in seinem Tesla, weil im Laden gerade eine neue Wandverkleidung errichtet wurde.

Im Podcast soll es von der fundierten Einführung in die Technologie hinter Mini-Photovoltaikanlagen bis hin zu praktischen Tipps für die Installation, Wartung und den Betrieb Ihrer eigenen kleinen Stromfabrik am eigenen Balkon eben um alles rund um Balkonsolar gehen. Neben mir und Julian sollen auch noch weitere Experten und Gäste eingeladen werden.

Man kann die Folgen auch abonnieren bei:

Bei Themenvorschlägen kann man sich gerne bei uns melden (sm@balkon.solar)

Muss ich die AfD einladen? Kurz: Nein!

Im Vorfeld der Kommunal- und Europawahl gibt es immer wieder Diskussionen ob Vereine politisch “neutral” sein müssen oder überhaupt sich zu politischen Themen äußern dürfen. Besonders mit dem Hinblick auf die Gemeinnützigkeit gibt es da immer wieder Ängste und Diskussionen.

Kurzfassung: Vereine dürfen dezidiert politische Statements abgeben und sie dürfen auch nur mit ausgewählten Politiker verkehren oder eben diese Einladen und auch nicht einladen.

In diesem Artikel werde ich sowohl rechtliche, als auch Politikwissenschaftliche Argumente darlegen, warum die AfD und auch andere im Bereich der Verfassungsfeindlichkeit oder des Extremismus operierende Listen und Gruppierungen oder Einzelkandidaten:innen von Vereinen nicht eingeladen werden müssen. Für Schulen und Öffentlich-Rechtliche-Rundfunkanstalten oder Gemeinden, gibt es aber unter Umständen andere Regelungen.

Im Vorfeld von Wahlen ist es wichtig und gut, das Vereine, Gruppen und vielleicht auch nur engagierte Bürger:innen Politiker:innen einladen und mit diesen ins Gespräch zu kommen. Zum einen um sich ein Bild zu machen, wen man Wählen sollte, zum anderen um die eigenen Anliegen weiterzugeben. Die kennen viele Politiker:innen nicht, nicht weil sie blöd, dumm oder desinteressiert sind, sondern weil sie einfach auf einem Gebiet (noch) nicht informiert. So wichtig der eigene Verein oder das eigene Anliegen scheinen und sind, Politik:innen sind mit einer Vielzahl von Anliegen konfrontiert und können daher nicht über alles Bescheid wissen.

Weiterhin haben viele Vereine von sich den Eindruck „total unpolitisch“ zu sein, wo viele ihrer Ziele (Umweltschutz, Makergedanke, …) hoch politisch sind.

17.5.2014 0:44 Wahlkampfstand der Wählervereinigung Junges Freiburg in Freiburg auf der Kajo

Fragen an den Veranstalter

Zunächst würde ich mir und der Gruppe die organisiert, die folgenden Fragen stellen:

  • Wenn Kandidaten der AfD kommen, werden sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit rassistisch und fremdenfeindlich äußern. Wer fühlt sich als Moderator – besonders wenn er darin nicht geschult ist und wenig Erfahrung hat – in der Lage das zu unterbinden und dann auch dafür zu sorgen, das wieder über die Themen des Vereins/Gruppe und nicht über den Rassismus diskutiert wird?
  • Will man, dass die eigene Veranstaltung durch solche Ausfälle im Gedächtnis bleibt?
  • Es werden auch andere Listen notieren: Wer war als Veranstalter in der Lage die AfD draußen zu halten und wer fühlte sich aus mehr oder weniger klaren Gründen “verpflichtet” sie einzuladen?
  • Als Verein/Gruppe hat man eine (zumindest moralische) Fürsorgepflicht für Mitglieder, die Gruppen angehören, die die AfD gerne deportieren will (etwa jeder mit nicht-deutschen Vorfahren, Migrationshintergrund, …) oder solche die sie abwertet (Homosexuelle, Alleinerziehende, Behinderte, …). Welches Signal sendet man an diese Mitglieder im Verein aus?
  • Sind unsere Anliegen so das wir sie nur mit Hilfe der AfD durchsetzen können? Oder würde uns das bei der Durchsetzung eher schaden?
  • Aus der Tatsache, das eine Partei als einen Weg an die Macht (und nicht den ausschließlichen) die Teilnahme an Wahlen nutzt oder gewählt wurde, bedeutet nicht, das sie auf dem Boden der Demokratie und Grundwerte unserer Verfassung steht. Sondern lediglich das sie dem Demokratischen System innewohnen Möglichkeiten nutzt um die Macht zu ergreifen
  • Ist man “unpolitisch”, wenn man die AfD einlädt? Oder muss man in einer Situation in der man nicht nicht kommunizieren kann, eben eine Wertegeleitete Entscheidung treffen.

Schon diese Fragen und ihre Antworten dürften relativ eindeutig sein.

In meiner Erfahrung als Moderator, aber auch als Teilnehmer von Diskussionen und Veranstaltungen, dass man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sich AfD kandidierende rassistisch oder fremdenfeindlich äußeren. Das kann bei allen Themen erfolgen und auch völlig unvermittelt. Danach besteht dann das Bedürfnis bei sehr vielen anderen Menschen sich abzugrenzen. Plötzlich geht es dann nicht mehr um Fahrradwege oder einen Bebauungsplan, sondern um Rassismus. Schont hat die AfD das Thema gesetzt.

Auf der anderen Seite besteht bei vielen der Wunsch, die AfD durch eine Diskussion zu „entzaubern“. Das geht davon aus, dass die Wähler:innen der AfD bei einer Veranstaltung anwesend wären – was üblicherweise kaum der Fall ist. Und dass diese sich dann auch noch durch die Gegenargumente überzeugen lassen. Das ist aber weitgehend falsch, die meisten aktuellen Studien gehen davon aus, dass die AfD wegen ihres Rassismus gewählt wird und nicht trotz.

Daneben beherrschen sie es perfekt sich selbst als Opfer in Szene zu setzen, verbales Judo zu nutzen um Diskussionen auszuhebeln oder schlicht Skandale zu kreieren um Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Gefahr, dass man gerade als Ungeübter oder schlecht Vorbereiteter voll in ihre Falle läuft und ihnen damit nicht nur eine ungewollte Bühne für ihre Selbstdarstellung bietet, sondern sich selbst damit in einem schlechten Licht dastehen lässt, ist groß.

Anti-AfD Demo in Freiburg am 22.4.23

Beobachtung durch den Verfassungsschutz

Das Verwaltungsgericht Köln hat am 8. März 2022 entschieden, dass das Bundesamt für den Verfassungsschutz diese als Verdachtsfall  einordneen darf und dies auch öffentlich mitteilen. Es gebe ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei, führte das Gericht zur Begründung aus. Dies habe das BfV in Gutachten und den dazugehörigen Materialsammlungen unter Kontextualisierung der als relevant erachteten Aussagen belegt. Die Einschätzung des BfV beruhe auf einer nicht zu beanstandenden Gesamtbetrachtung. Die Partei befinde sich in einem Richtungsstreit, bei dem sich die verfassungsfeindlichen Bestrebungen durchsetzen könnten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die Einstufung als Verdachtsfall auch öffentlich mitteilen, um eine politische Auseinandersetzung zu ermöglichen. Das gelte ebenso für ihre Jugendorganisation „Junge Alternative für Deutschland“ (JA).

Das gleiche gilt für die Einstufung durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, auch hier sind Klagen der AfD gescheitert: Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat festgestellt, dass bei der AfD im Land tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verhaltensweisen der Partei darauf gerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung hinsichtlich der Ausprägung der Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Grundgesetz außer Geltung zu setzen. Deshalb darf der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, etwa Informationen auch verdeckt beschaffen.

Hier warne ich zu zu rufen: „Aber der Verfassungsschutz beobachtet ja auch die Linke in Baden-Württemberg“. Zum einen beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nicht die ganze Partei, sondern „nur“ „linksextremistische Strömungen, Zusammenschlüsse und Teilstrukturen“, etwa den Jugendverband „Linksjugend [’solid]“ und der „Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband“ (DIE LINKE.SDS)„. Zum aanderen fehlt hier eben die einstufung als „extremistisch“. Zudem ist die Beobachtung auch bei vielen anderen Parteien hoch umstritten.

Zudem warne ich hier sich auf die politikwissenschaftlich mindestens überholte „Hufeisentheorie“ zu stützen.

Rein Inhaltlich: Es gibt im Moment keine ansatzweise ähnliche Partei oder Gruppierung auf der anderen oder irgendeiner Seite des politischen Spektrums, die eine solche Gefahr für Demokratie und Menschenrechte darstellt, wie die AfD. Wenn eine solche irgendwann auftauchen sollte, kann man diese Diskussion auch darüber führen bzw. sollte man sie nicht einladen.

Politikwissenschaftlich dürfte die AfD inzwischen nicht mehr nur eine klassische Rechtspopulistische Partei sein, sondern zeigt deutliche rechtsextreme Züge. Im Januar 2022 trat etwa der ehemalige Parteivorsitzend Meuthen aus, weil sie die Partei „sehr weit nach rechts mit totalitären Zügen entwickelt habe und in weiten Teilen nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. (…) Als einzige Partei im Deutschen Bundestag bezweifelt die AfD – entgegen dem wissenschaftlichen Konsens zum Thema –, dass die globale Erwärmung vom Menschen verursacht ist. Als Sammelbecken rechtsextremer Kräfte innerhalb der Partei gilt der offiziell aufgelöste, aber weiter aktive völkisch-nationalistische Flügel um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke. Er konnte bei innerparteilichen Abstimmungen 2019 bis zu 40 Prozent der Delegierten hinter sich bringen.“ Die Partei besteht nach dem Austritt bzw. Apspaltung des  wirtschaftsliberalenwertkonservativen Teil im Grunde aus Gruppen und Personen die  autoritärevölkisch-nationalistischehomophobeantifeministischeantisemitische und geschichtsrevisionistische Positionen vertreten. Außenpolitisch steht sie auf der Seite Russlands.

Anti AfD Demo am 20.1.24 in Freiburg

Neutralitätsgebot im Grundgesetz

Das im Grundgesetz vorgesehene Neutralitätsgebot gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG gilt nicht für Vereine, es bindet nur Staatsorgane. Eine Bindung könnt höchstens entstehen wenn etwa der Verein hoheitliche Aufgaben wahrnimmt oder Verwaltungshelfer des Staates wird, aber auch bei dieser  Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch gesellschaftliche Akteure sind enge Grenzen gesetzt, die genau vertraglich oder gesetzlich bestimmt werden müssen. Daher müsste etwa in einem Förderbescheid stehen. Ausnahmen wären etwa Beförderungspflicht (wenn man etwa ein ÖPNV-Angebot machen würde) oder Behandlungspflicht, z.b. beim Betrieb eines Rettungsdienstes, aber diese gelten dann nur für diese Fälle. Sprich, der Rettungsdienst des Roten Kreuzes muss ein verunfalltes AfD Mitglied ins Krankenhaus bringen, der DRK Ortsverband muss es aber nicht einladen um mit ihm über Rotkreuz-Themen zu diskutieren.

Junges Freiburg beim Wahlkampf am 18.4.14. Um über das AfD Plakat zu hängen, sitzt ein Mitglied auf den Schultern eines anderen.

Eigene Satzung

Es ist denkbar, dass in der Satzung Formulierungen zur parteipolitischen Neutralität stehen oder auch zur Überparteilichkeit. Auch dies verbietet in der Regel nicht einzelne Parteien nicht einzuladen oder eine Auswahl zu treffen.

Des Weiteren findet sich in der Satzung, häufig eine Normierung satzungsrechtlicher Wert- und Moralvorstellungen, oder ergibt sich aus den Vereinszielen. Etwa in der Satzung des BalkonSolar e.V. „Förderung des Umweltschutzes (…) Beratungen mit dem Ziel der Förderung des Einsatzes von
erneuerbaren Energien, insbesondere der Solarenergie, insbesondere sogenannter Balkon-Photovoltaik Anlagen. b. Vorschläge zur Verbesserung der regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen, die zum vermehrten Einsatz von Photovoltaik und damit zu umweltgerechterem Handeln führen.“

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