„Das geltende Recht gibt schon jetzt Einiges her, wenn die Städte unerwünschte Böllerei beschränken wollen“ Remo Klinger im Interview.

Frage: Herr Prof. Dr. Remo Klinger, der Oberbürgermeister der Stadt Freiburg, Martin Horn, behauptet, ein Böllerverbot sei nicht zulässig und appelliert an die Bürger*innen, zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Feuerwerkskörpern. Ein freiwilliger Verzicht werde seitens der Stadt begrüßt. Gleichzeitig verletzen sich jedes Jahr zahlreiche Menschen durch Böller und Raketen, Balkone und Häuser brennen, Traumatisierte Menschen und Haustiere haben Angst. Haben die Städte wirklich keine rechtlichen Möglichkeiten, die Gesundheit und das Leben ihrer Bürger zu schützen?

Klinger: Also entweder ist der OB schlecht beraten oder schlicht ignorant. Bei Ersterem ist es nicht so schlimm, die Beratung kann man ja nachholen: Das geltende Recht gibt schon jetzt Einiges her, wenn die Städte unerwünschte Böllerei beschränken wollen.
Es beginnt bei dem Verbot, Feuerwerksartikel in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden abzubrennen. Das Verbot gilt generell und bedarf noch nicht einmal eines Stadtratsbeschlusses, die Polizei muss es durchsetzen und zwar nicht nur am Freiburger Münster, sondern an allen betroffenen Gebäuden. Die meisten Menschen wissen davon leider nicht einmal. In einem nächsten Schritt wäre es möglich, Böller, also keine Raketen, in der Innenstadt zu untersagen. Dazu bedarf es nachvollziehbarer Gründe, die beispielsweise in einer engen Altstadtbebauung liegen können, man muss dafür noch nicht einmal bestimmte Gefahren, die mit der Böllerei einhergehen, verhindern wollen.
Wenn man jedoch in der Vergangenheit in bestimmten Gegenden sogar handfeste Gefahren für die öffentliche Sicherheit hatte, kann man in diesen Zonen noch weiter gehen und nicht nur die Böller, sondern jedes Feuerwerk verbieten. Das Recht bietet somit schon jetzt ein abgestuftes Instrumentarium. Ob man es nutzt, ist eine Frage der Umstände und des politischen Willens. Da muss man Farbe bekennen und kann sich nicht hinter dem angeblich unzureichenden Recht verstecken.

Ob man es nutzt, ist eine Frage der Umstände und des politischen Willens. Da muss man Farbe bekennen und kann sich nicht hinter dem angeblich unzureichenden Recht verstecken.

Frage: Wären etwa begrenzte Verbote, an besonders gefährlichen Stellen, etwa im Rahmen einer Polizeiverordnung denkbar? Immerhin werden ja auch für Versammlungen unter Umständen Auflagen erteilt und es geht nicht nur um die möglichen Schäden durch Feinstaub, sondern auch um ganz konkrete Gefahren, etwa die Verletzungen durch explodierende Böller.

Klinger: Ja, natürlich. Dazu braucht es noch nicht einmal eine Verordnung, dazu genügt eine sogenannte Allgemeinverfügung, also ein Bescheid, der an alle Bürger*innen gerichtet ist und öffentlich bekannt gemacht wird. München hat es an diesem Silvester vorgemacht: Die Gegend zwischen Stachus und Marienplatz, in der es 2018 zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kam, war komplett demilitarisiert, also ohne Böller und Raketen. Trotzdem waren die Straßen dort voll, nur war die Stimmung netter, wie man berichtete, es gab auch fast keine Verstöße gegen das Verbot.
Außerhalb dieses Gebiets, aber innerhalb des Mittleren Rings, das ist also die gesamte Münchner Innenstadt, waren zwar Raketen erlaubt, aber keine Böller. Auch daran wurde sich weitestgehend gehalten. Es wurde also abgestuft vorgegangen. Die Menschen konnten böllern und Raketen zünden, wenn sie dies wollten. Und sie konnten davon in Ruhe gelassen werden, wenn sie es nicht wollten, ohne gleich aus der Stadt fliehen zu müssen. Die Stadt ist für alle da, aber es muss nicht jeder überall alles machen dürfen.

Foto: „Helen Nicolai“

Frage: Um vom konkreten Fall, etwas ins Allgemeine überzugehen: Auf der einen Seite erleben wir bei bestimmten Gruppen, etwa lärmenden Jugendlichen auf Plätzen, Fußballfans oder Geflüchteten, insbesondere von Seiten konservativer Politiker, großen Fleiß und Eifer, wenn es um Gefahren geht, die (vermeintlich) von diesen ausgehen. Da wird schnell Videoüberwachung, Gesetzesverschärfungen oder mehr Polizei gefordert. Auf der anderen Seite werden Verhaltensweisen, wie auf der Autobahn Rasen, Betrunken mit Sprengstoff hantieren oder Autos mit Betrugssoftware bauen, als Rechtsverstöße bagatellisiert oder mit dem Hinweis auf die eigene Freiheit verteidigt. Woran liegt das nach ihrer Meinung?

Klinger: Politiker machen im Zweifel das, von dem sie meinen, es sei populär. Manchmal meinen sie das aber auch nur. Denn bei der Böllerei müsste das längst zu Beschränkungen führen. Nach den letzten Umfragen sind mehr als die Hälfte der Befragten dafür.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er ist Honorarprofessor der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Mitherausgeber und Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR). In der breiten Öffentlichkeit ist er weniger bekannt, aber laut „Stern“ ist er „in Fachkreisen (…) ein Star“. Dreizehn Verfahren hat er für die Deutsche Umwelthilfe um die Einhaltung der Stickstoffdioxid Grenzwerte geführt und dreizehn Verfahren hat er gewonnen.

Deutsche Umwelthilfe unterstützt Bürgerantrag / Stadt soll mit Allgemeinverfügung Böllerei einschränken

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Die Deutsche Umwelthilfe unterstützt den Bürgerantrag von „Sicheres Silvester“. Die Deutsche Umwelthilfe hat auf ihrer Kampagnenseite https://feuerwerk-change.org/ nun auch eine Onlinepetition für Freiburg geschaltet. Zudem unterstützt sie die Bürgergruppe „Sicheres Silvester“ mit Öffentlichkeitsarbeit.

„Üblicherweise wird nur in den wenigen Tagen vor dem Jahreswechsel über die negativen Folgen der Silvester-Böllerei gesprochen. Erstmals ist es uns gelungen, eine anhaltende sachliche Debatte über das notwendige schnelle Ende dieser archaischen Form des Silvesterfestes zu initiieren.
Mut machen uns vor allem die überwältigenden positiven Rückmeldungen und die aktive Unterstützung durch über 170.000 Bürgerinnen und Bürger, die für rauschende Silvesterfeste ohne Schwerverletzte, Häuserbrände, panisch reagierende Tiere, verlorenes Augenlicht und verstümmelte Hände kämpfen.
Leider sind viele Stadtoberhäupter noch nicht so weit wie die Mehrheit der Bundesbürger oder die in den Notaufnahmen arbeitenden Augenärzte, Chirurgen und Rettungssanitäter, die zu Silvester jedes Jahr zahlreiche Noteinsätze haben und vermeidbares Leid erfahren“
, Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V.

Die Onlinepetition ist unter: www.change.org/feuerwerk-freiburg zu finden.

Auch ein Rechtsgutachten von Professor Dr. Remo Klinger „Kommunale Möglichkeiten derBeschränkung des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände an Silvester“, im Auftrag der der Deutschen Umwelthilfe macht Handlungsmöglichkeiten deutlich. Die Stadt kann im Rahmen ihrer Generalermächtigungen nach Ermessen eine Allgemeinverfügung erlassen, die das Zünden von Feuerwerkskörpern, etwa innerhalb des Innenstadtrings oder auf den Brücken über den Bahnhof verbietet. Als Rechfertigungsgrundlage dürfte die regelmäßig von der Böllerei ausgehende Gefährdung von Leben und Gesundheit völlig ausreichen.

Um aus dem Gutachten zu zitieren:

„Dabei ist auch berücksichtigen sein, dass auch in ihrer Gesundheit vorgeschädigte Personen, wie Asthmatiker, geschützt werden müssen. Dem Staat obliegt grundsätzlich eine Schutzpflicht für alle seine Bürgerinnen und Bürger, nicht nur für gesunde Menschen. Dieser muss er gerecht werden.
Die Einschränkung der grundrechtlich verbürgten Handlungsfreiheit erfolgt im Interesse des Gemeinwohls und stellt damit einen legitimen Zweck dar. Der Erlass von auf ordnungs- rechtlichen Generalermächtigungen beruhenden Allgemeinverfügungen ist grundsätzlich auch geeignet diesen Zweck zu erfüllen (…)
Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass für bestimme Städte und ihre Stadtstrukturen nur lokal weitreichende Allgemeinverfügungen in der Lage sein werden, einen ausreichenden Schutz der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten und entsprechende Verbote daher auch erforderlich sind.“

Rechtsgutachten von Prof. Remo Klinger für die deutsche Umwelthilfe

Zum Bürgerantrag für alle Freiburger: https://sbamueller.files.wordpress.com/2018/11/einwohnerantrag-weniger-feuerwerk-in-freiburg.pdf

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Bürgerantrag „Sicheres Silvester“ sammelt weiter

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Die Unterschriftensammlung geht weiter.

Die Macher hinter dem Bürgerantrag „Sicheres Silvester“, der auf eine Regulierung des Böllerns an Silvester zielt, werden auch dieses Jahr rund um Silvester weiter Unterschriften sammeln.

„Inzwischen haben wir bereits ca. 750 Unterschriften gesammelt, wir sind zuversichtlich, dass es mehr werden und wir es schaffen die notwendigen 2500 Unterschriften zusammen zu bekommen, um das Thema auf die Tagesordnung des Gemeinderates zu setzen“, führt Altstadtrat Sebastian Müller aus.

Seine Beweggründe schildert er eindrücklich: „Jedes Jahr trinken Menschen Alkohol und hantieren dann mit Sprengstoff. Jedes Jahr fahren meine Kollegen und ich Menschen ins Krankenhaus, die sich Finger oder Augen wegsprengen. Das muß nicht sein.“

Auch Menschen mit Atemwegserkrankungen und Haustiere litten unter Lärm und der Feinstaub Belastung. Die Stadt müße wegen des Drecks erstmal komplett gereinigt werden, viele Menschen trauten sich nicht mehr in die Innenstadt, aus Angst mit Raketen beschossen zu werden.

Inzwischen regt sich auch in den Freiburger Parteien, eine Debatte über das Thema. So hat etwa Karin Seebacher, eine Diskussion in der SPD angestoßen.

„Wir hoffen, dass auch die Grünen sammeln werden, und sich nicht vor einem rechten Framing als Verbotspartei, einschüchtern lassen.“, erklärt Sebastian Müller.

In den Tagen zwischen den Jahren werden weitere konkrete Sammelaktionen folgen. Unterschriftenlisten liegen auch in der BUND Geschäftsstelle und im Büro der Linkspartei aus. Unterzeichnen darf jeder Einwohner*in – unabhängig von der Staatbürgerschaft – der 16 Jahre alt ist.

Download der Unterschriftenliste und weitere Informationen: http://sbamueller.com/feuerwerk/