Der Programmprozess in Parteien oder Wählervereinigungen dauert je nach Anzahl der Mitglieder und engagierten Wochen oder Monate. Bei der Freiburger Grünen gab es erst Arbeitskreise und Schreibgruppen, dann einen mehrere Wochen dauerndes online Verfahren mit Änderungsanträgen der Mitglieder (alleine von mir über 30), die teils modifiziert übernommen wurden und solchen die in einer mehrere Stunden dauernden Mitgliederversammlung besprochen und abgestimmt. Diese Programme sind dann viele Seiten lang, bei den Grünen etwa 37 Seiten oder bei der Liste Teilhabe und Inklusion 14 Seiten.
Auf dieser Grundlage wurde dann Wochen später die Liste aufgestellt.
Ähnlich lief es bei Junges Freiburg: Vorschlag, Änderungsanträge und dann Abstimmung. So auch bei der Liste Inklusion und Teilhabe, wenn auch da sehr zeitlich gedrängt und fokussiert auf wenige Themen wie eben Inklusion, Barrierefreiheit oder Teilhabe.
Dennoch ist die Programmatische Arbeit ein wichtiger Teil der politischen Arbeit, aus der dann die Wahlkampagne mit zugespitzten Thesen, Plakaten und Ereignissen entwickelt wird. Was ja auch Sinn macht, weil Kandidierende ja wissen wollen auf welcher Basis sie antreten und für welche Inhalte sie mit ihrem Namen stehen.
So machen „richtige“ Parteien, bei denen es auf das Wahlprogramm ankommt, die aber auch „den Bürger“ ernst nehmen. Geht man ja vom Ideal des sich informierenden Citioyen aus, der Wahlprogramme liest, diskutiert und dann seine Entscheidung trifft.

Bei der AfD in Freiburg liefet es anders: zunächst wurde ohne Programm eine Liste gewählt (ohne Frauen und nur 16 Plätze), dann noch Frauen gesucht und die Liste auf 24 von 48 möglichen Kandidaten aufgestockt. Keine Kandidaten zu finden, ist kein rein Freiburger Problem der AfD. Zu Beginn dieser Woche hat nun auch die Freiburger AfD ihre Antworten auf den Wahlomat ausgefüllt und gleich daraus ihr Wahlprogramm formuliert.
Darauf komme ich, weil etliche Punkte des eher kurzen Programms verdächtig nach Wahlomat Thesen klingen.
Wahl-O-Mat Thesen Recycling
Aussage im AfD Wahlprogramm | Wahl-O-Mat These der Landeszentrale für politische Bildung, Außenstelle Freiburg |
Stadtpolizei ausbauen | Der kommunale Ordnungsdienst soll abgeschafft werden. |
Stühlinger Kirchplatz endlich sicher machen | Die Stadt soll sich dafür einsetzen, dass der Drogenhandel auf dem Stühlinger Kirchplatz konsequenter verfolgt wird. |
Videoüberwachung an Risikoplätzen | Alle Plätze mit erhöhter Gefährdung sollten videoüberwacht werden. |
Ausbau der Beleuchtung an den Radwegen | Die Beleuchtung von Fahrradwegen muss ausgeweitet werden. |
Illegale Schmierereien wirksam bekämpfen | Die Stadt soll nicht länger die Entfernung von illegalen Graffitis bezahlen. |
Keine Dieselfahrverbote in Freiburg | In Freiburg sollte es ein Dieselfahrverbot geben. |
Tempo-30-Wahn beenden | Mehr Tempo-30-Zonen im Stadtgebiet! |
Blitzer auf den Prüfstand | Weniger Blitzer in Freiburg! |
Konsens oder bereits beschloßen
Dann gibt es noch die Thesen und Überschriften, die einfach konsensuale Allgemeinsplätze sind oder bereits beschloßen:
Einführung eines Kurzstreckentickets | bereits beschloßen |
Ausbau der Zugstrecke Freiburg – Colmar | will auch jeder |
Lärmschutz an der Rheintalbahn sichern | bei allen Konsens, frage ist nur wie. Dazu keine Anwort |
Radverkehr sinnvoll gestalten | keine konkreten Forderungen, außer Vorgehen gegen Schrotträder |
kein Komunalpolitik
Dann gibt es eine ganze Reihe von Forderungen, die keine kommunalpolitische Forderungen oder Inhalte sind:
Schnelles Internet in Freiburg: AfD fordert, dass die Einnahmen aus Frequenzversteigerung für den Ausbau verwendet werden. Ausbauen sollen aber die privaten Netzbetreiber und die Einnahmen fallen ja beim Bund an. Oder die Forderung nach Einführung einer Hilfspolizei, was eine Landessache wäre.
Innere Widersprüche
Ein Teil der Forderungen sind innerlich widersprüchlich: Zum einen fordert die AfD: „Gewerbesteuer senken, Trotz einer Anhebung der Gewerbesteuer hat die Stadt weniger Einnahmen erzielt“. Was zum einen inhaltlich falsch ist, weil die Gewerbesteuereinnahmen steigen – was man durch einfaches googlen herausfinden kann – und auch aufgrund der Forderungen nach Mehrausgaben und Haushaltskonsolidierung: „Die oberste Priorität bei allen finanziellen und haushaltspolitischen Fragen muss die Konsolidierung haben.„, entegen läuft. Zum Beispiel fordert die AfD Ausbau des Stadtbahnnetzes, ein neues Eisstadion oder auch mehr Videoüberwachung – alles Dinge die viel Geld kosten.
Der einzige Sparvorschlag im Programm ist: „Eine Finanzierung bspw. des „Christopher-Street-Days (CSD)“ in Freiburg lehnen wir ab.“ Dumm nur, das der gar nicht von der Stadt finanziert wird.
Bindemittel Resentiments
Soweit so gut. Würe man denken ist halt das Programm von Leuten, die für den Gemeinderat kandideren und wenig Ahnung oder Interesse an Freiburger Kommunalpolitik haben. Damit könnte man Leben wäre da nicht, die sich durch das gesammte Programm durchziehende Homo-, Linken, Islam- und Ausländerfeindlichkeit.
Deutlich Beispiele davon sind, etwa die Forderung nach Aussetzung der Anschlußunterbringung (Innenministerium), die Schließung der Ibad-ur-Rahman Moschee (was gar keine kommunale Angelegenheit wäre, sondern eine des Innenministeriums), des Ende von Geschlechtergerechter Sprache oder auch der Finanzierung des CSD durch die Stadt, die es gar nicht gibt.
„Das Wahlprogramm der Freiburger AfD: Umformulierte Wahl-O-Mat Thesen, Allgemeinplätze und Resentiments“ weiterlesen