Antrag an die Grüne MV: Grüne Liste attraktiv machen für Jung- und Erstwähler

Ich bin ja auch Mitglied der Freiburger Grünen und habe heute folgenden Antrag die Mitgliederversammlung gestellt, der Angesichts der Tatsache das ein 28 Jähriger die SPD Freiburg führt und die Linke Liste auch eine Jugendprimaries macht, dringlich nötig ist:

Freiburg, den 14/10/13

Antrag an die Mitgliederversammlung
hier: Grüne Liste attraktiv machen für Jung- und Erstwähler

Die Mitgliederversammlung möge beschließen:

„Die vorschlagenden Versammlungen werden beauftragt, Verfahren für die Kandidat_Innenfindung und für die Vorschlagsliste für die Kommunalwahl 2014 zu wählen, die sicherstellen, dass auf der Kommunalwahlliste Personen vertreten sind, die sowohl durch ihr Alter als auch ihre Interessenschwerpunkte geeignet sind, die Anliegen von Jugendlichen unter 27 Jahren und junger Erwachsener in den Gemeinderat zu tragen. Dies gelte unabhängig vom gewählten Verfahren für das zustande kommen einer Vorschlagsliste.“

Begründung:

Die Grün-Rote Mehrheit im Landtag hat beschlossen, das passive Wahlrecht für die Kommunalwahl auf 16 Jahre herabzusetzen. Dies ist ein Teil der umfassenden Strategie zur Verbesserung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg.

weniger Grau in den Gemeinderat

Die obige Forderung erfüllt auch die im Grünen Grundsatzprogramm erwähnte „jugendgerechte Politik von morgen“, bei der Kinder und Jugendliche ein Recht auf Beteiligung haben. Außerdem sorgt ein solches personelles Angebot zwangsläufig für die seit langem geforderte Nachfolge von U40 im Gemeinderat.

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Wahlrecht ab 16 und Gehirnentwicklung

Die Landesregierung hat angekündigt das Mindestalter für das aktive Wahlrecht bei der Kommunalwahl von 18 Jahren auf 16 Jahren abzusenken. Zahlreiche Jugendorganisationen, wie die Jusos, der Landesjugendring oder der Dachverband der Jugendgemeinderäte Baden-Württemberg haben in ihren Reaktionen diese Entscheidung begrüßt.

Erstaunlicherweise begann aber dann in den Kommentarspalten einiger Zeitungen, die zu diesem Thema berichteten, empörte Dikussionen: „Wählen ab 16, Auto fahren ab 17, volle Rechte ab 18, aber bis 21 Jugendstrafrecht!“ (Kommentar in der Stuttgarter Zeitung online vom 5.11.2012 11:53)Ähnlich geartete Kommentare finden sich auch unter einem weiteren Artikel der Stuttgarter Zeitung, der zu diesem Thema berichtet.

Ähnliches findet sich auch im Kommentar einer 16 Jährigen BZ Autorin (!) in der Badischen Zeitung: „Mitten in ihrer Selbstfindungsphase sollen diese jungen Leute also wirklich die große Verantwortung übernehmen, mit ihrer Stimme bei einer Bundestagswahl die Geschicke des Landes mitzubestimmen? Das kann es nicht sein.“

Obwohl einige dieser Beiträge durchaus so formuliert sind, das man teilweise auch am Wahlrecht für über 18 Jährige zweifelt, möchte ich dennoch auf dieses Argument eingehen. Eine ähnliche Debatte tobt seit einigen Jahren auch in den USA, wo besonders zwei Gutachten der Amerikanischen Psychologischen Vereinigung (APA) als wiedersprüchlich herangezogen werden. In einem Gutachten zum Fall Roper vs Simmons hat die APA ausgeführt warum, nach ihrer Expertise die Todesstrafe nicht für Verbrecher verhängt werden sollte, die jünger als 18 Jahre sind.

Insbesondere führt die APA in ihrem Gutachten aus:

„At ages 16 and 17, adolescents, as a group, are not yet mature in ways that affect their decision-making.
Behavioral studies show that late adolescents are less likely to consider alternative courses of action, understand the perspective of others, and restrain impulses. Delinquent, even criminal, behavior is characteristic of many adolescents, often peaking around age 18. Heightened risk-taking is also common. During the same period, the brain has not reached adult maturity, particularly in the frontal lobes, which control executive functions of the brain related to decision-making.“

Dafür führt sie sodann eine Reihe von Neurobioglogischen und Sozialpsychologischen Faktoren auf: Die Wahrscheinlichkeit für gefährliches Verhalten (ungschützer Sex, Todesrate, die Wahrscheinlichkeit ein Verbrechen zu begehen) sind alle rund um das 17. Lebensjahr am größten und sinken dann wieder. Einige Studien gingen sogar soweit zu behaupten, dass die Beteiligung an illegalem Verhalten geradezu normativ sei. Während das Verhalten der Peer Gruppe einen sehr großen Einflauss auf die jungen Erwachsenen und Jugendlichen hat.

Gleichzeitig hat die APA aber in einem Gutachten für eine frühereEntscheidung des Amerikanischen Verfassungsgerichts argumentiert, dass Jugendliche bereits ab 14 Jahren in der Lage sind, eigentständig darüber zu entscheiden, ohne ihre Eltern informieren zu müßen, ob sie eine Schwangerschaft abbrechen wollen oder nicht. (Hodgson vs Minnesota)

Hier führte die APA aus: „[B]y age 14 most adolescents have developed adult-like intellectual and social capacities including specific abilities  outlined in the law as necessary for understanding treatment alternatives, considering risks and benefits, and giving legally competent consent.“

Also während Jugendliche aufgrund ihrer Entwicklung nicht in der Lage sein sollen Handlungen und Entscheidungen ausreichend abzuwägen, die sie zum Begehen eines Verbrechens animieren, sollen sie dazu in der Lage sein nun über Abtreibung oder nicht zu entscheiden. Das wäre zunächst ja mal ein Wiederspruch, oder?

Aber: „Studies that have examined logical reasoning abilities in structured situations and basic information-processing
skills, for instance, have found no appreciable differences between adolescents age 16 and older and adults; any gains
that take place in these domains during adolescence occur very early in the adolescent decade, and improvements after this age are very small (Hale, 1990; Kail, 1997; Keating, 2004; Overton, 1990).“ (Zitat stammt aus dem gleichen Artikel wie oben)

Während also die Entscheidungen ein Verbrechen zu begehen meist spontan, beinflusst von Gleichaltrigen und ohne über die Konsequenzen nachzudenken gefällt werden, so gehen in der Regel Wahlentscheidungen zumindest eine längere Phase des Bewußten oder unbewußten Nachdenkens und der Möglichkeit sich mit unterschiedlichen Personen (Peergroup, Eltern, andere Erwachsene, …) darüber auszutauschen und weitere Informationen einzuholen. Es handelt sich also um einen Prozess bei dem eher die im zweiten Gutachten angesprochenen Argumente zählen würden.

Wenn man also die generelle kognitive Kapazität von 10 bis 30 Jahren misst ergibt sich in etwas das folgende Bild:

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Leserbrief zu KOMMENTAR: Kinder an die Macht, von Leonie Lieberam in der Badischen Zeitung vom 17.11.2012

Ich habe einen Leserbrief zum Thema Wahlalter ab 16 an die Badische Zeitung geschrieben:

Debatte zum Wahlrecht ab 16, KOMMENTAR: Kinder an die Macht, von Leonie Lieberam in der Badischen Zeitung vom 17.11.2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich stimme mit der Argumentation ihrer Autorin, gegen ein Wahlrecht ab 16 nicht überein:
Ein Artikel in der einflussreichen Politikwissenschaftlichen Zeitschrift „The ANNALS of the American Academy of Political and Social Science“ berichtet im Januar 2011 unter der Überschrift „Amerikanische 16 bis 17 Jährige sind in der Lage zu Wählen“ über eine Untersuchung zu den Unterschieden im politischen Verhalten zwischen 10 und 30 Jahren. Darin stellen die Autoren fest, dass es zwischen der Altersgruppe der 16 – 17 Jährigen und der der 18 – 20 Jährigen keine relevanten Unterschiede in den Bereichen Wissen über Politik, politische Fähigkeiten, politische Wirksamkeitsempfinden und politischem Interesse gibt.

Aus Verhaltenswissenschaftlichen und Neurobiologischen Studien wissen wir auch, dass die Fähigkeit zum Verarbeiten von Informationen bei den meisten Menschen etwas im Alter von 15 Jahren fertig ausgeprägt ist. Jedoch die Fähigkeiten zur Impulskontrolle und Risikoabschätzung erst mit 21 Jahren voll ausgeprägt sind.
Deshalb ist es durchaus gerechtfertigt wenn Menschen mit 16 Jahren wählen können, denn dafür brauche ich vor allem intellektuelle Fähigkeiten, aber erst mit 17 Jahren Autofahren, erst mit 18 Jahren Alkohol trinken oder in der Bundeswehr dienen, erst ab 21 Mietwagen mieten oder ab 25 Jahren große Motorräder fahren, denn dazu sind die Fähigkeiten zur Risikoabschätzung wichtig.

Wahlentscheidungen trifft man in der Regel nach dem man sich informiert hat (oder informiert wurde), möglicherweise nach Diskussion mit Freunden und Bekannten unterschiedlichen Alters in Ruhe nach mehr oder weniger langem Nachdenken.

In Jeder Lebensphase gibt es wichtigere Dinge um die es sich subjektiv mehr lohnt zu kümmern als Wählen zu gehen: nach der Pubertät und Ichfindung, die Ausbildung oder das Studium mit schwereren Prüfungen, danach einen möglicherweise anstrengenden Arbeitsalltag und die Aufzucht der Kinder.

Jugendliche sind mit 16 Jahren in der Lage Wahlentscheidung treffen zu können und sollten das auch dürfen, die Gründe sie bis 18 warten zu lassen sind fadenscheinig.

Sebastian Müller

Pressereaktionen auf Äußerungen des DV zur Wahlrechtssenkung

Inzwischen ist unsere Pressemitteilung von gestern, von diversen Medien aufgegriffen worden:

Südwestpresse: Kabinett beschließt Wahlrecht ab 16 – Das Kabinett hat der Senkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen zugestimmt. Gesetzliche Frauenquoten lehnt der Innenminister ab. Autor: ROLAND MUSCHEL | 07.11.2012 (…) „Dagegen begrüßten der Dachverband der Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg sowie Grüne Jugend, Jusos und Julis den Beschluss.“

Schwaebische.de – Jungen Menschen eine Stimme geben – In Baden-Württemberg sollen ab 2014 schon 16-Jährige die Gemeinderäte wählen können – Von Stefanie Järkel: „Der Dachverband der Jugendgemeinderäte begrüßte die Pläne von Grün-Rot. „Ich sehe das Ganze positiv, weil man damit junge Menschen ein bisschen mehr am kommunalen Geschehen beteiligen kann“, sagte Sprecher Marcel Wolf der Schwäbischen Zeitung. „Überall wird immer von der Politikverdrossenheit bei Jugendlichen gesprochen, aber das stimmt so nicht. Man muss die Jugendlichen einfach frühzeitig beteiligen.“ Wolf, der sich auch in der Schülerunion engagiert, sprach sich zudem dafür aus, das Wahlalter bei Landtags- und Bundestagswahlen ebenfalls auf 16 Jahre abzusenken.“

Pforzheimer Zeitung – Grün-rotes Kabinett beschließt Stimmrecht für 216.000 Teenager –  Autor: Andreas Fiegel: „Sowohl der Dachverband der Jugendgemeinderäte Baden-Württemberg als auch die Grüne Jugend und die Jungen Liberalen (Julis) begrüßten die geplante Änderung des Kommunalwahlrechts.“

Badische Zeitung – Grün-Rot beschließt Wahlrecht für 16-Jährige in Kommunen:Dagegen begrüßten der Dachverband der Jugendgemeinderäte in Baden- Württemberg sowie Grüne Jugend, Jusos und Julis den Beschluss.“

Wahlrecht ab 16: Reaktion des Dachverbands der JGR

Nachdem es schon vor dem Wochenende in die Medien geleakt wurde und die Landeseregierung es heute offiziell als Kabinettsvorlage beschlossen hat der Dachverband der Jugendgemeinderäte dies nun auch in einer Pressemitteilung kommentiert.

Pressemitteilung des Dachverbands:

Ja zum Wählen ab 16, aber Jugendbeteiligung ist mehr!

  • „Ohne eine flächendeckende Einführung von Jugendbeteiligung ist dies nur ein erster Schritt!“
  • Beteiligung braucht ausreichend Mittel um funktionieren zu können
  • Es bleibt aber noch viel zu tun für die Landesregierung: Einführung einer Beteiligungspflicht für die Kommunen an allen jugendbetreffenden Fragen

Mehr: 20121106_PM_DVJGRBW_Wahlaltersenkung

Dazu die Pressemitteilung der Landesregierung:

Entwurf für neues Kommunalwahlrecht – 06.11.2012 Die Landesregierung will junge Menschen frühzeitig in demokratische Entscheidungsprozesse einbeziehen. Daher soll jetzt das Mindestalter für das aktive Wahlrecht auf kommunaler Ebene von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden (mehr)

Ja und so eine Pressemitteilung kann einen auch von der eigenen Organisationsentwicklung richtig weiter bringen.