Akte Klimacamp: Ein Dorn im Auge des Herrn Horn

Martin Horn war im Wahlkampf mit den Slogans “Öko? Logisch!” und “Gemeinsam * Freiburg * Gestalten“ oder „Mehr Gemeinsam an der Dreisam“ angetreten und forderte auf dem Höhepunkt der Rezo-Diskussion gegenüber dpa:

 “Der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) fordert von Politikern und Parteien mehr Respekt gegenüber jugendlichen Klimaschützern, protestierenden Schülern und politischen Youtubern … (Gegenüber der DPA erklärte er, Anmerkung des Verfassers)müssen wir uns den konkreten Forderungen der jungen Menschen stellen.“ Es fehle oft ein echter Dialog auf Augenhöhe” (Quelle)

Scheinbar gibt es den „Dialog auf Augenhöhe“ und „gemeinsame Gestalten“ nur, solange er es nicht aus dem eigenen Bürofenster sehen kann – denn da muss die instragrammable Kulisse erhalten werden.

Die Versammlungsfreiheit – ein kleiner Exkurs

Immer wieder müssen sich, seit es das Grundgesetz gibt, Gerichte mit der Versammlungsfreiheit herumschlagen. Meist ging es dabei um Polizei oder Verwaltungen, die Versammlungen einschränken oder verbieten wollten. Über die Jahre entstand der Grundsatz der “inneren Versammlungsfreiheit”, daher Menschen, die sich versammeln, entscheiden selbst, wie sie ihre Versammlung gestalten. 

Ein faktischer Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist jedenfalls dann gegeben, wenn das staatliche Handeln einschüchternd oder abschreckend wirkt bzw. geeignet ist, die freie Willensbildung und die Entschließungsfreiheit derjenigen Personen zu beeinflussen, die an Versammlungen teilnehmen wollen.

https://www.bverwg.de/251017U6C46.16.0

Ob sie nun Plakate, Transparente mitnehmen oder sich stumm und schweigend treffen, welche Route und Ort sie wählen, wer auftritt und redet, ob sie Musik abspielen und natürlich auch, wie lange ihre Versammlung dauert. Also vom kurzen Flashmob bis hin zur mehrstündigen Demo und Kundgebung, über die Mahnwache oder die zum Teil mehrere Tage dauernde Demo vor Werkstoren im Rahmen eines Streiks.

Quelle: https://www.alpmann-schmidt.de/Downloads/Leseproben/999308_web.pdf

Behörden müssen auch eine Versammlung nicht genehmigen, sondern man muss ihnen lediglich mitteilen, dass sie stattfindet. Sie können dann einen Auflagenbescheid erlassen, der bestimmte Dinge regelt oder, wenn es ganz gravierende Anzeichen für massive Straftaten oder Störungen der öffentlichen Ordnung gibt, diese verbieten. Dazu zählen aber nicht etwa zeitlich begrenzte Staus oder Behinderungen beim Zugang zu Geschäften.

Quelle: https://www.alpmann-schmidt.de/Downloads/Leseproben/999308_web.pdf

Auch dürfen staatliche Überwachungsmaßnahmen, Kontrollen oder Ähnliches nicht dazu führen, dass Bürger:innen aus Angst vor diesen von ihrem Recht nicht Gebrauch machen.  

Siehe auch: Handbuch_Versammlungsrecht.pdf

Auch über mehrere Wochen oder Monate stattfindende “Klimacamps” sind solche besonders geschützten Versammlungen. 

Es braucht also auch kein “Entgegenkommen” oder “Verständnis” eines Oberbürgermeisters, um eine Versammlung durchzuführen.

Gespräch mit der Stadt

Die Fallhöhe aus Rhetorik und Handeln wird in den Gesprächen zwischen OB und Klimacamp deutlich. In den Akten finden sich Hinweise auf zwei inhaltliche Gespräche. 

Über die Zeit des Klimacamps, inzwischen fast 1,5 Jahre, gab es immer wieder Gespräche mit der Stadt. Nun ist die Stadt Freiburg aber kein Monolith, sondern hat viele Teile. Auf der einen Seite fanden immer wieder Gespräche mit dem Ordnungsamt statt. Dabei ging es um praktische Fragen der Camp-Organisation: Zum Beispiel ist die Hängematte schlecht für den Baum, am Tag XY wollen Bürgervereine ein Fest machen, können sie etwas die Zelte verschieben, … 

Das sind aber nicht die Gespräche, die die Aktivisten des Camps gerne hätten, die man aber führen muss. Campen ist ja kein Selbstzweck, sondern man will politisch etwas erreichen und dazu muss man sich über politische Fragen mit der Stadtspitze, dem Oberbürgermeister, Gemeinderat, Bürgermeistern, Amtsleitern austauschen. 

Martin Horn findet, wegen SC Emfpgang muß das Klimacam weg.
Quelle: https://www.instagram.com/p/CsVeQ8HqkGy/?hl=de

Auch über solche Gespräche finden sich Notizen in den Akten. Vollzieht man es anhand der Akten nach, so findet am 26.04.2023 ein Gespräch mit der Stadtverwaltung wegen des Empfangs der SC-Frauen statt, anwesend ist auch Oberbürgermeister Martin Horn persönlich. 

Trotz Klimacamp kann der SC empfangen werden… Quelle: https://www.instagram.com/p/CsiX1Ykq7UA/?hl=de&img_index=3

Offensichtlich ist ein Verschwinden des Camps für solch ein wichtiges Fußballereignis Chefsache: „Der Oberbürgermeister fordert als Minimalkonsens, dass der Radhausplatz zumindest bei anderweitigen gesellschaftlichen bedeutsamen oder traditionellen Veranstaltungen von den Aktivist_innen des Klimacamps freigezogen werde. (…) Hierfür bot der Oberbürgermeister auch die Unterstützung der Stadtverwaltung an.“

Obwohl bis zu diesem Zeitpunkt bereits zahlreiche Veranstaltungen am Platz ohne Probleme stattgefunden haben, ist es offensichtlich wichtig, das Camp verschwinden zu lassen, wenn viele Menschen auf den Platz kommen. 

Inhaltliche Gespräche über die Ziele des Klimacamps fanden hier – so lese ich die Akte – nicht statt. Es gab auch kein Angebot von Seiten des Oberbürgermeisters im Sinne von “Wenn ihr abzieht, dann mache ich geiles Ökoprojekt XY” oder helft mir das ich „Umweltprojekt X durchsetzen kann“

Klimacamp auf dem Rathausplatz, es bleibt noch viel Platz z.b. für Brotmarkt, Hochzeiten oder SC Frauen.

Dem Gespräch folgt dann ein E-Mail Wechsel mit Martin Horn. Hier spricht ganz der enttäuschte Sozialarbeiter: “Leider – und hier muss ich auch mitteilen, dass ich enttäuscht bin – kam auf unser Gespräch und Ihre Zusage, rasch eine Rückmeldung zu den Lösungsangeboten für vorgenannte Bedürfnisse der Stadtgesellschaft zu geben – inklusive des Angebots der Stadt, dass es Unterstützung für den Abbau und Wiederaufbau der Zelte gibt – keine Rückmeldung und kein Wahrnehmen weiterer Gesprächsangebote von Mitarbeitenden der Stadt mangels Bereitschaft und Möglichkeit Ihrerseits zustande.

In Ihrer E-Mail vom gestrigen Tage sprechen Sie von einer generellen Kooperationsbereitschaft, zeigen jedoch faktisch das Gegenteil. Wie Sie wissen, da wir darüber sprachen, findet am Sonntag, 21.05.2023 der SC-Frauen- Mannschafts-Empfang statt. Sich auf mehrere E-Mails und Anfragen des Afö über Wochen nicht rückzumelden, ist keine Art und kein Zeichen des respektvollen Miteinanders.

Wenn Sie es ernst meinen mit Ihrem Kooperationswillen, dann bitte ich Sie dies zu zeigen, indem Sie bis Freitag, 19.05.2023 zumindest zwei Zelte (2. Schlafzelt und Materialzelt) abbauen. Wie Sie selbst in ihrem Gespräch am 26.4.23 sagten, gab und gibt es keine aktive Nutzung des 2. Schlafzeltes und des Materialzeltes.

Wir haben in den vergangenenmehr als 10 Monaten viel Rücksicht genommen und würden uns freuen, wenn wir diesen kooperativen Weg weitergehen könnten.“

Zu Greenwashing immer Bereit

Am 26.5.2023 gab es dann das zweite Gespräch mit dem Oberbürgermeister: 

„Der Oberbürgermeister weist nochmals auf die Bereitschaft zu einer Kooperation mit dem Klimacamp im Zusammenhang mit Baumpflanzaktionen etc. (…) Auch betont er, dass das Klimacamp auch bei einer Suche nach Räumlichkeiten in der Innenstadt unterstützt würde.”

Sprich zu einer Greenwashing Aktion, bei der man nette Instagram Bilder beim Baumpflanzen produzieren kann, ist er gerne bereit. 

„Die Aktivist_innen beklagen sich, dass zu wenig inhaltlich mit ihnen diskutiert würde. So möchten sie z. B., dass „Verkehrsflächen nicht für Autos, sondern für ein „gutes Leben“ genutzt werden.“ Die Stadt solle mehr auf das Camp zukommen. Sie beklagen, dass ihr – ihrer Ansicht nach – „ehrenamtliches Engagement“ nicht richtig wertgeschätzt würde. Der Oberbürgermeister trat diesem Argument jedoch entgegen und korrigierte, dass die Aktivist_innen kein ehrenamtliches Engagement, sondern eine politische Versammlung angemeldet hätten. Die Aktivist_innen kritisieren auch, dass das Klimacamp medial gegen die Fußballerinnen des SC Freiburg ausgespielt worden sei.“

Keine richtigen Ehrenamtlichen sondern Aktivisten

Flugs spricht der OB – im direkten Gespräch – den Aktivisten ab, dass sie so richtig Ehrenamtlich seien, die Wertschätzung verdient hätten. Offensichtlich gibt es Wertschätzung nur für das Ehrenamt, das nicht stört. 

Aber ja, er möchte ja einen “echten Dialog auf Augenhöhe”. Damit er zustande kommt, schlägt er am 26.5.23 vor: „Der Oberbürgermeister erklärt, dass er gerne am 2. Juli 2023 zum Klimacamp kommt, wenn sich die Aktivist_innen bereit erklären, zwei ihrer Zelte dauerhaft abzubauen und darüber hinaus erklären, dass sie den Platz für 5 bis 6 Veranstaltungen im Jahr komplett räumen.”

Voraussetzung für einen Dialog sei der Teilabbau des Camps und der regelmäßige Abbau des kompletten Camps vorm Rathaus, besonders dann, wenn viele Menschen dort sind. Was ja gerade dem Zweck der Meinungskundgabe zuwiderläuft. 

Fazit

Es wird deutlich: Ziel der Gespräche von Martin Horn ist nicht ein Dialog über Klimaschutz, Ideen wie man diesen in Freiburg voran bringen kann, sondern das Klimacmap zu verkleinern. Darüber spricht er, nicht über inhaltliche Fragen des Klimaschutzes.

Erster Teil

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