Ukraine Bashing, Antiamerikanismus, Ahnungslosigkeit oder Werner Rügemer im Vortrag

Im Grunde war der Vortrag einfach strukturiert: Die Ukraine ist ein korruptes Land, seine Bürger arm und arbeiten als Prostituierte, die Elite korrupt. Der Krieg wird von den USA und Blackrock gesteuert. Gewerkschaften und Medien verschweigen die wahren Zustände. Das Publikum bestand aus alten Linken und der örtlichen Querdenker Szene.

Eingeladen zum Vortrag von Werner Rügemer hatten die Freiburger Ortsgruppen von Attac, DFG-VK und das Friedensforum Freiburg.

Dienstag 18. Juli in der Aula der Hebelschule, draußen spielen junge Menschen Basketball und amerikanische (!) Musik. Drinnen referiert Werner Rügemer, Autor zahlreicher Bücher, aber inzwischen auch bei den verschwörungsideologischen Nachdenkseiten angekommen, langatmig und wenig mitreißend über die Ukraine.

Rügemer ist inzwischen schon über 80, hat graue Locken und war bis so in die 2000er Jahre engagierte Recherchen über Cross-Border-Leasing betrieben. Inzwischen kommt er nicht mehr im WDR oder DLF oder anderen „Mainstream“ Medien vor, so habe ihm ein Redakteur mitgeteilt: „Oh sie kritisieren ja die USA, ich weiß nicht ob ich das hier durchkriege“.

Dieses Schimpfen aufs Mediensystem, das man auch in Telegram Kanälen der Querdenker finden könnte – von denen waren etliche hiesige Szenepromis da – war dann ganz lustig, als er vor einem Badischen Publikum meinte: „Von denen (gemeint waren Vorgänge in der Ukraine) erfahrt ihr nichts, wenn ihr nur hinter eurer Stuttgarter Zeitung sitzt.“

Ja die Medien – berichteten einseitig, denn staatliche und private Leitmedien hätten das Interesse die Botschaft zu vermitteln: „die Ukraine gehört zu uns“, da darf über Böses in der Ukraine nicht berichtet werden und die Ukraine müsse als Verteidigungswertes Land dargestellt werden. Warum sie das nicht sei, machte er dann durch Ukraine Bashing deutlich.

Damit kann man dann auch gut die Querdenker abholen, in deren Richtung gab es dann auch die Dogwhistle Bemerkung: „Viele von euch haben es ja mit der Corona Politik gemerkt (das was nicht stimmt) und sind dann aufgewacht.“ So war für Friendensschwurbler, Coronaleugner und Alt-Linke genug anschlussfähiges dabei, das jeder einen befriedigenden Abend gehabt hat.

Die Bemerkung passte aber gut, denn insgesamt hatte man aber den Eindruck, das Fakten und Details oder Fachwissen über die Ukraine nicht so ganz sein Metier sind und gerne soweit zurechtgebogen werden, dass sie ins Bild passen.

So erklärte er ohne die Zahlen zu nennen, das selbst die Gewinne des größten deutschen Rüstungsunternehmens an Blackrock ginge, das ja der größte Aktionär wäre und 9 von 10 der größten “Amerikaner” Kleines Detail das übersehen wurde: 71 % der Aktien von Blackrock sind im Streubesitz, das bedeutet das sie zumindest Anteilseigener gehören die weniger als 5% besitzen und das nicht gegenüber dem Vorstand angezeigt haben. Blackrock ist mit 5,31% der größte Einzelaktionär.

“Der größte europäische Aktionär ist der norwegische Staatsfonds”, auch das im Detail nicht ganz richtig, so besitzt die UBS, eine Schweizer Bank mehr Anteile. Und es ist nicht der norwegische Staatsfonds sondern die Staatsbank. Und es sind auch nicht 9 von 10. “Blackrock ist Kriegspartei”, war der eingängige Slogan.

Dazu hatte Rüdemer schon eine Reihe von Büchern veröffentlicht und diese Beteiligungsgesellschaft als Grundübel identifiziert: Gesteuert werde der Krieg quasi von Backrock, die jetzt erst über Beteiligung an Rüstungsunternehmen am Krieg verdienen würden und dann später am Wiederaufbau. Und deshalb sorge Blackrock dafür, das es einen langen Krieg gäbe, weil wenn mehr kaputt sei, dann müsse man ja auch mehr aufbauen, woran man verdienen könnte

Hörte man allerdings den Vortrag, dann wundert man sich ob es in der Ukraine überhaupt was gibt, was man zerstören kann. Denn Rüderes Bild der Ukraine kann man so zusammenfassen: Das ist ein von Korruption zerfressenes Land, gesteuert von Oligarchen die Steuern hinterziehen. Dort wird durch US Konzerne Zigaretten hergestellt, die dann nach Europa geschmuggelt werden. Seine Bürger:innen arbeiten als Prostituierte, besonders auch als billige Prostituierte in Deutschland, Leihmütter oder für 1,34 EUR im Mindestlohn.

Mit einer gewissen Faszination schilderte er die Leihmütterpraktiken: Es gäbe eine Art Dienstleistungsbranche mit Abgabe Samen und oder Eier der Eltern und Austragen der Kinder in der Ukraine. Dann quasi ein Kauf der ausgetragenen Kinder, das habe vor dem Krieg 60.000 € gekostet, wenn man das Geschlecht festgelegt haben wollte 80.000€ pro Kind.

Spannend war das er tatsächlich das Wort “Kauf” verwendete. In diesem Zusammenhang hätte man natürlich auf die in vielen Berichten thematisierte gezielte russische Verschleppung ukrainischer Kinder hinweisen – oder einfach jeden Verweis auf Russland unterlassen, wie er es an diesem Abend getan hat.

Schon erstaunlich.

Aber auch sonst ist viel Faul im Staate: Ganz schlimm seit auch der hohe Gender Pay Gap in der Ukraine. “Höher sogar als in Deutschland”. Selbst beim googeln während der Veranstaltung kam ich auf einen von 18,6% in der Ukraine, 18% in Deutschland, 13% in der EU im Durchschnitt, mit einzelnen Ländern weit über 20% und Russland 23%.

Noch vor dem Krieg hätten in Kiev Plakate der NATO (!) gehangen, die Frauen fürs Militär rekrutierten.

Auch die Klassiker der russischen Desinformation über die Ukraine durften am Abend nicht fehlen: So bezeichnete der die Ereignisse des Euromaiden als Putsch, die Ukraine führe einen Stellvertreterkrieg der USA oder sprach der Ukraine ihre Souveränität ab.

Für das anwesende Verschwörungsaffine Publikum, wie die bekannten Querdenker von denen ich mindestens 5 gezählt habe, oder die junge Frau mit dem “Impfpflicht Nein Danke Button”, dürfen auf ihre Kosten gekommen sein.

Denn – so Rüdemer – Zbigniew Brzezinski habe bereits in seinem Buch “Die einzige Weltmacht” von 1997 dargelegt, dass die USA die Ukraine Russland entreißen müßten.

Das Publikum war eine spannende Mischung: Auf der einen Seite relativ prominente Freiburger alt-Linke wie Stadträtin Irene Vogel von der Frauenliste, Stadträtin Anne Reimers von der Linken List und Altstadtrat Hendrik Guzzoni oder Franz Albers Heimer. Dazu da Leute aus der “Friedensbewegung” und Gewerkschaften. Aber eben auch Teile des harten Kerns der Freiburger Querdenker Szene.

Die Anwesenden schienen das Ganze zu goutieren: Ein Herr der sich kritisch äußerte wurde verbal angegangen, ebenso wie der Herr der meinte: „Du hast die ganze Zeit auf der USA rumgehackt“.

Auf Fragen aus dem Publikum: “Gibt es denn in der Ukraine überhaupt noch Gewerkschaften”, konnte dann Herr Rüdemer auch nicht antworten. Generell scheint das landeskundliche Wissen über die Ukraine bei ihm nicht besonders ausgeprägt, die Verachtung und das Herablicken auf diese aber schon.

Man hat den Eindruck hier wird eine Mischung aus Anti-Amerikanismus, Ukraine Bashing und anderem den Leuten vorgekaut, die endlich mal hören können was sie gerne hören würden, aber mangels Faktenbasis so nicht in den „Mainstream“ Medien vorkommt.

Aus dem Publikum gibt es dann weitere spannende Beiträge, so fragt ein Herr: „Ist die Ukraine Geschichte nur ein Vorgeplänkel damit die Amerikaner bei der Auseinandersetzung mit den Chinesen nur einen Gegner haben?“ Denn Russland und China könnten sich ja verbünden.

Ja die Fragen aus dem Publikum:
“Wer schreibt die Texte für den Schauspieler Zelensky? “ oder “Wie kann die Ukraine jemals ein souveräner und demokratischer Rechtsstaat werden, bei diesem Einfluss der USA?”, spannend das als gelernter BRD Bürger zu fragen.

Aber auch Beiträge, wie: „Wen die Ukraine in die NATO Eintritt und neutral bleibt, dann könnte sie ein Pufferstaat bleiben und aufblühen“ oder “Der US geführte Westen drängt die Ukraine in den Krieg.”, zeigten dann deutlich, wo der Wind her wehte.

Für den Beitrag eines Teilnehmers: “Man müsse auch anschlussfähig sein für Leute die Angst hätten vor Überfremdung”, gab es noch Gemurmel im Publikum, beim Beitrag: „In Weingarten fahren die Ukrainer mit dicken Autos rum und warum muss man für die so viel Aufhebens machen“, nicht mehr. Auch die Aussage von Rüdemer: „Viele Frauen (aus der Ukraine) pendeln per Flixbus hin und her und holen sich in Deutschland die (Sozial-) Gelder ab, das ist lukrativer als hier (in der Ukraine) arbeiten.“, rief keinen Widerspruch hervor.

Spätestens aber der Bemerkung: “Wir dürfen uns nicht Spalten lassen”, war ich mir nicht ganz sicher ob das jetzt die Versammlung eines Telegramm Kanals der Querdenker ist oder einfach eine AfD Veranstaltung.

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