Stephan Wermter hat mir ungefragt ein Video eines „Kamingesprächs“ zugeschickt. Da sitzt er in einem Zimmer und wir von einer Bürgerin „Frau Schmidt“ befragt. Spannend ist das ganze nicht und erinnert von der Sprechgeschwindigkeit an Telekolleg. Ich habe es mir angesehen, das ihr es nicht müßt.
Stephan Wermters Aussagen habe ich jeweils mithilfe der Transkript Funktion auf Youtube transkribiert und werde sie hier einem Faktencheck und einer kritischen Beurteilung unterziehen. Ich habe jeweils die entsprechenden Stellen im youtube Video verlinkt, so dass sich jeder selber ansehen kann was er gesagt hat. Zitate sind kursiv gestellt.
Immerhin erkennt er an, dass „was in der Nationalsozialistischen Herrschaft geschah, das schlimmste Kapitel unserer deutschen Geschichte (war)“ um es dann gleich wieder zu relativieren, da (er) “als Nachgebornerer muß ich nicht für die Sünden unserer Väter büßen“ (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=168) weswegen Beschimpfungen wie Nazi an ihm abprallen würden.
Ich behaupte in keinster Weise, dass Stephan Wermter ein Nazi sei. Eher jemand der unbedacht Dinge sagt und dem nicht so klar ist, warum die vielleicht nicht so geschickt sind. Offen bleibt auch wer ihn gebeten hat für die Verfehlungen des Nationalsozialismus zu büßen und was das genau „büßen“ in diesem Zusammenhang wäre.“
Hier mal ein Best-of der Aussagen:
Touristen
„Zahlungskräftigere und Zahlungswillige Touristen bleiben immer mehr aus“ https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=2060
Dazu Zitat aus der Pressemitteilung der FTWM: „Freiburg Tourismus 2016: Neuer Gästerekord (…) insgesamt 761.200 Gäste, was einem Plus von 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Damit erzielte die Hotellerie einen Zuwachs von 0,3 Prozent auf insgesamt 1.092 Millionen Übernachtungen.“
Bettensteuer
Auch beim Thema Bettensteuer scheint er nicht ganz so informiert zu sein: (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=2755) Wohl gemerkt das Video stammt vom 5.12018.
Dazu kommt noch die Aussage: „Ich werde das als Bürgermeister auf jeden Fall abschaffen“ (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=2753) Das wird sich leider etwas schwieriger gestalten, denn der Gemeinderat beschließt über die Einführung und Höhe der Bettensteuer, nicht der Bürgermeister. Er kann das höchstens Vorschlagen.
Gewerbesteuer
„nirgendwo ist die Gewerbesteuer so hoch wie in Freiburg“ (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=2682) ein kurzer Blick auf das Gewerbesteuer-Infoportal zeigt auch, dass diese Aussage nicht stimmt. Der Gewerbesteuerhebesatz für Freiburg beträgt 420 Punkte, das ist die gleiche Höhe wie Heilbronn, der Neckar-Odenwald-Kreis und Stuttgart in Karlsruhe und Mannheim beträgt er 430 Punkte, Pforzheim sogar 450.
Überschuss der Stadtbau
Die Stadtbau „Soll ja wie man liest es sich um ein durchaus profitables Unternehmen handeln, ich würde das gilt es noch zu prüfen“ (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=328). Genau das haben wir getan. Etwa durch googeln des Geschäftsberichts des Jahres 2016 oder des Presseberichts in der Badischen Zeitung (vom 12.5.2016) dazu. Dann würde man lesen, dass die Stadtbau Überschuss macht, diesen jedoch nicht als Gewinn an die Stadt auszahlt, sondern komplett im Unternehmen verbleibt, etwa um in Haslach viel Geld in neue Wohnungen zu stecken.
Kinder und Jugendarbeit
Auch hier ein Zitat das aufhorchen lässt: „Kinder- Jugend-Sozialarbeit, gerade für die schwächeren Leute, es tendiert gegen Null“ (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=755)Das Zitat ist nicht ganz verständlich. Ich interpretiere es so, das in Freiburg nicht genug für Kinder und Jugendliche getan wird. Das wäre jetzt eine Aussage der ich als ehemaliger Junges Freiburg Stadtrat quasi qua Amt zustimmen müßte. Klar man kann immer mehr tun. Junges Freiburg war in diesem Doppelhaushalt etwa so erfolgreich das Geld für den zweiten Abschnitt des Skateparks eingestellt wurde.
Nun ist diese Aussage ein wenig seltsam: schaut man in den Beteiligungshaushalt werden über 105 Mio. Euro im Jahr für Kinderbetreuung und über 63 Mio. für Familien- und Jugendhilfen ausgegeben. Näheres dazu im Beteiligungshaushalt. Da sind die Ausgaben für Jugendzentren noch gar nicht drin.
Nähe zur AfD
Besonders absurd die Aussage: „Es wird mir eine Nähe zur AfD Unterstellt, das ein richtiger, absoluter Blödsinn“ https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=2846
Richtig ist wohl, das zitiert auch die Badische Zeitung, dass er nicht Mitglied der Freiburger AfD ist, wie man angesichts der Facebook Posts von ihm wohl darauf kommen könnte, wir sich jedem einigermassen verständigem Betrachter selbst erschliessen.
Gewerbesteuer senken und soziale Wohltaten ausschütten!
Und dann noch die Statements bei denen man sich denkt, ähmm die stehen aber im ziemlichen Widerspruch zur Forderung die Gewerbesteuer zu senken:
„Müssen wir absolut die Gewerbesteuer senken,“ um mehr Gewerbe und mehr Großbetriebe anzusiedeln. (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=2374). Seltsam zwischen 2005 und 2015 stieg die Anzahl der Erwerbstätigen in Freiburg um ca 20% also um mehr als 28.000 Personen. Die Abeitslosenquote in Freiburg ist so niedrig wie seit 35 Jahren (1981!) nicht mehr.
Kostenloser ÖPNV und Strassenbahn an den Tuniberg
Er will darüber Nachdenken Opfingen, Munzingen mit der Straßenbahn zu erschließen, um die Wohnungsnot „zu bekämpfen.“ (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=690)
Wie das eine mit dem anderen zusammen geht, weil durch eine Straßenbahnlinie entstehen ja keine Wohnungen und selbst ohne Auto kommt man ja mit dem Bus in die Ortschaften, ist mir nicht klar. Ich habe jetzt mal verschiedene Varianten grob überschlagen. Egal ob man vom Rieslfeld oder von der Munzingerstraße aus eine Stadtbahnlinie zu den Tuniberg Gemeinden baut. Man muß grob geschätzt mit 9 bis 11 km Streckenlänge rechnen. Baukosten für Straßenbahnlinien werden ungefähr zwischen 8 und 12 Mio. Euro pro km angegeben (Zahlen 2003, daher inzwischen auf jeden Fall mehr). Daher wir wären ohne zusätzliche Bahnen bei ca 100 Mio. Euro nur für die Strecke!
Dazu fordert er neben dem Bau einer Strassenbahnlinie an den Tuniberg: „ich plädiere für den kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr in und um Freiburg herum.“ (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=2126)
Rechnen wir mal kurz durch was das ungefähr Kosten würde. Die Zahlen habe ich dem VAG Blog entnommen: 2015 hatte der Regio Verkehrsverbund, der den Nahverkehr in der Region Freiburg organisiert Fahrgeldeinnahmen 83,7 Mio. Euro, aus dem Verkauf von Einzeltickets und Regiokarten.
Davon ging etwa die Hälfte an die VAG. Diese hatte aber immer noch einen Jahresfehlbetrag von 16,57 Mio., der aus dem Überschuss der Stadtwerke (also Badenova) bezahlt wurde.
Sprich kostenloser Nahverkehr würde allein bei der VAG rund 40 Mio Euro jedes Jahr kosten. Ich schätze jetzt mal etwas weniger als die Hälfte weil ja die Kontrolleure wegfallen und die Kosten für Vertrieb der Fahrscheine (Automaten,…).
kostenlose KiTas
„Ich bin absolut für kostenlose Kitas“ (https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=713) wenn ich es richtig sehe, dann werden die Kosten für Kinderbetreuung in der Haushaltsstelle 36.50 „Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege“ erfasst. Das wären rund 97 Mio Euro (die Badische Zeitung spricht bei Kosten für Kitas 2017 von 119 Mio Euro.) Laut Empfehlung sollen die Eltern mindestens 25% der Betreuungskosten in der Kita bezahlen. Das sind derzeit etwa bei einer Familie mit zwei Kindern mit mehr als 2536 Euro im Monat Einkommen (darunter zahlt man nix) 218 für ein Ü3 Kind. Daher ich schätze Mehrkosten zwischen 20 und 30 Mio. Euro.
Rechnen wir das mal zusammen:
+ kostenloser ÖPNV ca 40 Mio. EUR
+ kostenlose KiTa ca 20 Mio. EUR
+ Stadtbahn Tuniberg, Baukosten auf 5 Jahre verteilt, ca 20 Mio. EUR
= Summe: 80 Mio. pro Jahr mehr!
Das bedeutet entweder die Grundsteuer um ca 80% Erhöhen (2017 100 Mio. jährliche Einnahmen) oder die Gewerbesteuer um ca 50% Erhöhen (2017 180 Mio. jährliche Einnahmen) um das zu finanzieren.Nettigkeiten über Haslach
Slum aka. Haslach
Ein besondere Art der Liebe hat Stephan Wermter für den Stadtteil in dem er aufgewachsen ist: Haslach.
„Die Kinder in Haslach sollen nicht lernen, das einmal Haslach immer Haslach bedeutet.“ https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=884
„In der Kampfmeyerstraße aufgewachsen, also im Ghetto wie man damals sagte“ https://youtu.be/ckqUqzU5pd4?t=1018 diese Aussagen lasse ich einfach mal so stehen. Ich wohne nicht in Haslach, aber kenne diesen als durchaus bürgerlichen Stadtteil mit sehr netten Leuten. Die Gartenstadt ist ein Freiburger Juwel und die dortige Gesamtschule wird gerade für 100 Mio Euro saniert.
Am Ende
Ich habe den Eindruck Stephan Wermter hat nicht verstanden, dass Oberbürgermeister werden nicht bedeutet, dass man einfach ein paar krasse oder nette Sachen in eine Kamera sagt, sondern dass die Leute auch wissen wollen wie man das erreichen will. Dazu gehört auch eine gewisse Sachkentniss und Konzepte.
5 Gedanken zu „Wermter und die Wirklichkeit“
Kommentare sind geschlossen.