Wer wissen will, was bei ‚Wir sind Deutschland‘ so passiert und nicht so viel Zeit hat oder mein gesammtes Researchpaper nicht lesen will, der kann einen Blick auf dieses Video werfen. Das faßt kurz recht treffend zusammen was dort gesprochen wird. Der 16 jährige gibt hier eine Zusammenfassung der Reden gehalten wurden wieder. Ich will jetzt gar nicht im einzelnen über diese Reden und deren Inhalt hier schreiben, auch wenn meiner Meinung einfach viel zunächst einfach falsch ist.
Hier im Seminar „Nationalism“ an der Universität Turku habe ich bei Matti Juutila über das Phänomen „Wir sind Deutschland“ in Plauen geforscht. Dabei habe ich nicht nur diese eine Rede angehört, sondern rund 20 h Material von fast allen Veranstaltungen die es bis heute (24.5.2016) gab. Davon habe ich dann zwei, die Zweite und die Achte transkribiert, übersetzt und analysiert.
Dabei ging es mir darum herauszufinden, was für ein Bild von Deutschland gezeichent wird, welche Konzeption von Nation (immerhin war das im Rahmen eines Nationalismus Seminar) verwendet wird. Im Laufe der Auseinandersetzung habe ich dann auch gemerkt das Populismus relativ prominent darin vorkommt.
Nun gibt es in der Sozial-Forschung drei weit verbreitete Strömunen die jeweils Nation erklären:
Primordialism – Even though there are three main strands of Primordialism, the core idea is that the idea of the Nation has existed since time immemorial, even though its characteristics have been submerged or not shown in the past. At the same time there was a golden age in past, in which the good characteristics of the nation were present and have gone into hibernation when they were suppressed by an external foe. (Özkirimli 2000, page 67 and Jutila 2006 PDF slides)
Kurzum: die Nation, in dem Fall die Deutsche war schon immer da und ihre beste Zeit liegt in einer goldenden Epoche in der Vergangenheit. Diese guten und goldenen Zeiten sind nun durch eine äußere Kraft unterdrückt.
Modernism – modernists challenge this and claim that the characteristics of most nations came to light after 1800. They claim to be ‘inventions’ of the industrial revolutions and thus a modern phenomenon. The industrial revolutions needed a mobile workforce, standardized education and developed a mass army. Advances in communications technology and increased literary created a new national mass culture that was shared between national elites and masses (Jutila 2006 PDF slides) Thus what we believe are character traits and invited traditions although they are transformed pre modern ethnic ties. (Also Özkirimli 2000, page 133)
Modernisten behaupten, das Nation eine Erfindung der Industriellen Revolution, so ab ca 1800 sind. Da die Industrie zahlreiche mobile, einheitlich gebildete Arbeitskräfte brauchte. Moderne Kommunikationsmittel wie die Zeitung und der Roman halfen bei der Bildung eines nationalen Bewußtsteins oder Kulturlebens. Daher teilten zum ersten Mal die Eliten und die Massen eine Kultur.
Ethno-Symbolism – Almost as synthesis born from the theoretical gaps in both Modernism and Primordialism is Ethno-Symbolism. On the one hand they acknowledge that ethnic communities existed before the age of nationalism but on the other hand they note that nations are not eternal, natural and unchanging. Nations are communities whose members share a lot like common myths, a mass public culture, a common economy, common legal rights and duties. (Özkirimli 2000, page 167 and Jutila 2006 PDF slides).
Und ganz zum Schluß noch die Ethno-Symbolisten. Das sind Leute die sagen, naja ethnische Gemeinschaften gab es schon vor den Nationen, aber Nationen sind nicht natürlich, unveränderlich und ewig. Nationen sind aber Gemeinschaften mit gemeinsen Vorstellungen, einer Massenkultur, einer gemeinsamen Ökonomie und einem gemeinsamen Rechtsraum…
Nun bei den Rednern von WsD herrscht eine Konzpetion von Nation vor, die eher dem ersten entspricht.
Gleichzeitig ist dieser Nationalismus auch eng mit Populismus verknüpft. Die meisten Wissenschaftlicher definieren Populismus als eine schwache oder dünne Ideologie, die sich immer an eine andere anlehnt und hier ist es nunmal der Nationalismus. Gleichzeitig sind auch die üblichen anderen Charakteristiken des Populismus zu finden: Anti-Elitismus, Anti-Intellektualismus, Anti-Politik, Moralisierung Polarisierung, Personalisierung und Anti-Institutionalismus. Sehr schön erklärt uns das Werner Müller. Der Populimus argumentiert nicht einer numerischen Vertretung der Menschen (durch Wahlen in Parlamenten), sondern für ihn gibt es eine moralische Vertretung (durch den Populisten). Und diejnigen, die den populistischen Führern nicht folgen, sind nicht das wahre Volk. Was ja gut auch zu den Antipluralistischen Äußerungen bei WsD passt.
Nun dann noch die Frage: Sind das Nazis? Nazis im Sinne der Ideologie Adolf Hitlers sind sie nicht, dazu fehlen auch Teile der Ideologie, etwa offener Antisemitismus. Aber die Organisatoren von WsD müßen sich vorwerfen lassen, dass sie rechtspopulistischer Rede öffentlichen Raum geben. Und auch so filtern, das auf ihren Veranstaltungen überwiegend rechtspopulistisches gesagt wird. Übrigens bestätigten die Organisatoren gegenüber mir das sie die Reden vorher durchschauen bzw. sich Manuskripte geben lassen und schauen, dass da nichts „zu krasses und populitisches“ gesagt wird. Und sie lassen auch begrenzt Gegenpositionen auftreten, wenn die sich trauen hinzugehen, aber die werden dann „vom Volk“ ausgebuht.
Die Leute die da hingehen bekommen damit sozusagen ihre Triebabfuhr. Deren „Bank des Zorns“ wird gelehrt und sie könen mal so richtig auf „Das System“ und „die da oben“ schimpfen. Das sich dadurch etwas verändert ist mehr als fraglich. Außer vielleicht, dass der Ruf von Plauen außerhalb beschädigt wird. Das man es mit den Forderungen, die teils bei WsD auf den Flugblättern findet nicht so ganz ernst hat, das mag man daran erkennen, das diese zwar am Anfang der Veranstaltung vorgelesen werden, aber dann keine Rolle mehr spielen. Daher es wird nicht irgendwie darauf erkennbar hingearbeitet diese umzusetzen. Die Redner gehen auch nicht drauf ein. Es gab etwa keinen Redner zum Thema Schulessen oder Grundeinkommen, aber viele die gegen Flüchtlinge und Ausländer waren.
Allerdings macht heute Ann Applebaum in der Washington Post einen guten Punkt: Die Rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen in Europa verbinden eine „rechte“ Gesellschaftspolitik (gegen Ausländer, Betonung der Nation,…) mit einer linken Wirtschaftspolitik (Staatsinterventionen, Umverteilung,…). Sie schlägt schön kontrovers vor das ganze „National-Sozialismu“s zu nennen. Die Forderungen von WsD passen in dieses Schema und das vieler rechtspopulistischer Bewegungen in ganz Europa.
Heute hat auch die Lokalzeitung in Plauen, die Freie Presse, meine Arbeit aufgegriffen:
„Student legt Studie über WsD-Protestgruppe vor
Ein Soziologie-Student hat die Kundgebungen von „Wir sind Deutschland“ analysiert. „Freie Presse“ sprach mit ihm. Seine These: Die Bewegung hat wenig gebracht. Außer Wut.
Von Elsa Middeke erschienen am 24.05.2016″
Gesamtes Paper: Research_Paper_WsD_SebastianMu?ller
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Ein Gedanke zu „Forschung über ‚Wir sind Deutschland‘ (WsD)“
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