Wahlplakate from Hell

Martin Fuchs lebt in Hamburg und arbeitet als strategischer Politikberater,a ls Hobby ist er Wahlkampfbeobachter und erklärt den Menschen dieses Neuland Internet. Eine populäre Kategorie auf seinem Blog ist „Wahlplakate from Hell“, die Sammlung der besten Plakat Fails. Ich meine beim kommenden Bürgerentscheid zum neuen Stadtteil Dietenbach, kommen auch wieder gestalterische und textliche Katastrophen zum Einsatz, die eine Besprechung notwendig machen.
Daher hier meine Fragen an Martin Fuchs.

Frage: In einem Tweet hast du Grafiker aufgerufen nach Freiburg zu kommen, da es hier viel Neugeschäft gäbe. Sind die Plakate wirklich alle aus der Hölle?

Fuchs: Das der Aufruf nun Freiburg getroffen hat, liegt unter anderem daran das es so fleißige Wahlplakate-Beobachter wie dich gibt. In anderen Regionen und gerade auf kommunaler Ebene sieht das sehr ähnlich aus und man fragt sich manchmal schon: Gibt es da keinen der nur ein wenig Ahnung von Gestaltung hat? Bei den Dietenbach-Plakaten gibt es natürlich auch Lichtblicke, aber das ist auch nicht schwer hier gestalterisch aufzufallen, weil das Niveau der Plakate insgesamt eher niedrig ist 😉

Frage: Eine Gruppe alter Menschen mit einer Aussage, wie bei der CDU oder Freiburg Lebenswert das spricht besonders alte Menschen an, oder? Bei der CDU ist ein Einzelplakat, bei Freiburg Lebenswert jeweils ein Claim mit „Denn wer Dietenbach seht, wird Enteignung, CO2, Verkehrschaos, teuere Mieten ernten.“

Fuchs: Genau. Die Art der Gestaltung von Plakaten hängt natürlich sehr stark von der adressierten Zielgruppe ab. Und wenn man weiß, das insbesondere im Kommunalen eher Ältere wählen gehen, die zudem die größte Wählergruppe darstellen, wird klar warum viele Plakate eher altbacken aussehen. Meine These wäre zudem:
Auch wenn es sich hier um ein Zukunftsthema handelt, interessiert das wohl eher menschen die dort lange leben bzw. Eigentum besitzen etc. Und das sind dann ebenfalls eher Ältere, so wie auf den Plakaten.

Ähnlich wie diese, funktionieren ja auch Testimonials, wie hier bei der offiziellen Kampagne der Stadt. (Wobei die Plakate recht klein sind und die Schrift auch nicht lesbar beim Vorbeifahren mit dem Auto, höchsten beim Davorstehen)?

Fuchs: Testimonials zudem noch aus der Freiburger Bürgerschaft funktionieren sehr gut, weil sie zeigen, das hier im Interesse der Bürger*innen gehandelt und argumentiert wird. Die Schrift im Kleingedruckten ist in der tat weder beim vorbeifahren noch beim davo rstehen gut zu erkennen, aber es kommt hier auf die Botschaft an. Und das NEIN ist klar und plakativ im Mittelpunkt. Das erkennt man und darum gehts der Stadt bei den Plakaten.

Große Schrift, plakative Aussagen auf Plakaten: Linke Liste, Freie Wähler, „die Partei“, Junges Freiburg. Geht das? Verstehen, dann die Leute wie sie abstimmen sollen? Immerhin es nicht ganz einfach: Bin ich für die Bebauung des Dietenbach, muß ich mit Nein stimmen, bin ich dagegen, muß ich mit Ja stimmen.

Fuchs: Was ist die Funktion von Plakaten? Sie sollen die Bürger*innen zum einen darauf hinweisen und daran erinnern, das es einen Volksentscheid gibt. Und bestenfalls noch hinbekommen zu informieren, wofür oder gegen man stimmen soll. Argumente und nähere Infos müssen dann auf anderen Kanälen abgerufen werden bzw. aktiv zu den Bürger*innen gespielt werden. Ich verstehe seit Jahren nicht, warum man versucht möglichst viel Schrift auf Plakate zu bekommen Das liest niemand und online kann man viel zielgerichteter und breiter Argumente ausspielen.

Und so ein Grumpy Cat Meme?

Fuchs: Nice Idee. Schafft Aufmerksamkeit. Und ist bei den Piraten ja schon ein Plakate-Klassiker (http://www.pixlpop.de/tag/grumpy-cat/). Das kommt bei der Zielgruppe von Junges Freiburg gut an, alle anderen werden es überhaupt nicht verstehen.

Symbole und irgendwas mit Internet, wie hier bei der FDP?

Ich bin eigentlich ein großer Freund davon, wenn man mit Symbolen und meinetwegen auch mit Emojis auf Plakaten arbeitet, aber hier wirkt es dann doch etwas belanglos. Und wenig durcheinander. Was soll das aussagen? Verstehe als Ausstensteheder auch den Zusammenhang nicht zwischen NEIN und SSL in der Luft 😉

Da haben wir drei Plakate, die mehr oder weniger mit Texten, Symbolen oder Bildern arbeiten, funktionieren die?

Fuchs: Ja, Piktogramme und Grafiken können die wenigen Worte auf einem Plakat sehr gut (unterbewusst) unterstützen. Wenn es denn gut gemacht ist und z.B. keine Wort-Bild-Scheren existieren, die den Betrachter kongnitiv überlasten. Wenn ich meine Aussage ökologisch framen möchte ist aber eine Getreide-Ähre ein sehr gutes unterstützendes Feature.

Noch eine Frage zum Abschluss: Sowohl die Dietenbach Befürworter, wie die Grünen und die Dietenbachgegner von Freiburg Lebenswert und der Bürgerinitiative verwenden die Farbe Grün. Hat das damit zu tun, das beide Öko-Argumente für oder gegen die Bebauung verwenden?

Fuchs: Ja, seit über 30 Jahren haben die Grünen dafür gesorgt das man Umwelt, Klima und Ökologiethemen im politischen Kontext mit den Farbe grün verbindet. Davon wollen jetzt alle drei profitieren, als Retter der Umwelt. Das ist immer ein starkes Argument, spannend das es hier Gegner und Befürworter verwenden. Zeigt aber auch, wie relevant ökologische Argumente in politischen Diskursen geworden sind.

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