Lisbet Hooghe und Gary Marks stellen in einem Artikel (Cleavage theory meets Europe’s crises: Lipset, Rokkan, and the transnational cleavage) in der Fachzeitschrift: „Journal of European Public Policy“ die These auf, dass die Cleavage Theory von Stein Rokkan und Seymour Martin Lipset, sowohl die Wahlerfolge der Grünen als auch der Rechter Parteien in Europam, gut erklären.
Zunächst mal was ist die Cleavage Theorie: Cleavage bedeutet soviele wie Kluft oder Lücke und die Theorie versucht die Bildung von Parteien, entlang langfristiger sozialer Spaltungen zu erklären. Nach ihr strukturieren historische Großereignisse der vergangenen Jahrhunderte unsere heutige Politik. Das wären die Reformation bzw. der Westphälische Friede für Zentrum vs. Peripherie, die Sekularisierung und der Konflikt Staat vs. Kirche, sowie die Industrielle Revolution und mit ihr der Konflikt zwischen Arbeitern und Kapital, unser Parteiensystem.
Diese Konfliktlinien prägen das Parteiensystem in den Westeuropäischen Staaten. Und tatsächlich sieht das Parteiensystem in den meisten Ländern im Jahr 1960 oder 1980 nicht anders aus als in den 1920er Jahren. Diese Konfliktlinien bleiben über Jahrzehnte gleich und prägen das gesammte Leben und auch die Identitäten der Menschen.
Gleichzeitig entstehen in allen europäischen Ländern, Parteien die ähnlichen Parteienfamilien zuzuordnen sind:
- Kommunisten
- Sozialisten/Sozialdemokraten/Arbeitsparteien
- Liberale
- Christdemokraten
- Konservative
- Zentrums-/Agrarparteien
- Ethnische/Linguistische Parteien
- Parteien der Extremen Rechten
Wobei es je nach Land einige Unterschiede gibt: Mit dem Verlust von Ostelbien und der Zerschlagung Preußens als dominatem protestantischem Staat, der sich im Konflikt mit der Katholischen Kirche befand, brauchte es im Nachkriegsdeutschland keine katholischen Partei (Zentrum) mehr, so dass sich diese Gruppen aus Christdemokraten, Konservativen und Agrarparteien zur „Union“ zusammen finden konnten. Schaut man etwa in die Schweiz oder nach Finnland, dann sind diese heute noch immer getrennte Parteien.
Für Deutschland war etwa auch das Fehlen einer Partei der extremen Rechten, lange Zeit ein europäischer Sonderfall. Ab Mitte der 1980er Jahre kamen zu diesen Parteienfamilien in fast allen europäischen Ländern noch eine Grüne Partei hinzu. Schon damals wurde über das Aufkommen eines neuen Cleavages spekuliert.
Nun gibt es aber dazu einige Dinge zu sagen: Parteien sind ihrem Wahlprogramm nicht sehr flexibel, da es eben einen dezentralisierten Entscheidungsapparat gibt, Selbstselektion bei den Mitgliedern, einen bestimmen Ruf und anderes. Daher Parteien können nur unter Schmerzen bestimmte Policy Positionen ändern (Man erinnere sich an die CDU mit Atomausstieg, Wehrpflichtende, Mindestlohn, …). Und über ein Cleavage drüber zu schieben, geht schon gar nicht. (Eine der Grüne für die Schmerzen der SPD dürfte auch sein, das sie Gerhard Schröder mit der Agenda Politik über das Arbeit-Kapital Cleavage geschoben hat, zumindest zeitweise). Daneben wurden die Parteiensysteme von Kräften erzeugt, die es schon gab bevor es Parteien gab und wir sehen jetzt quasi das entstehen eines neuen Cleavage in schon existierenden Parteiensystemen.
Jetzt nehmen aber die Bindungen an Parteien und Gewerkschaften ab und damit auch die Möglichkeit durch Klasse oder Wohnort Vorhersagen zu treffen, wie jemand wählen wird.
Wenn nun eine neues Cleavage auftritt, so wie Hooge und Marks es vorschlagen führt das entweder zum entstehen neuer Parteien oder zu Spannungen in existierendne Systemen. Je nachdem ob neue Parteien leicht entstehen können, so wie in den Niederlanden (Proporzwahlrecht) oder es sehr schwer haben, wie im Mehrheitswahlrecht Englands.
Jetzt war europäische Integration aber lange Zeit nur ein Nebenthema der Parteien, in Deutschland waren eigentlich alle Parteien für „mehr Europa“, was sich mit dem Auftreten der AfD geändert hat.
Für dieses Cleavage sprechen sie jetzt von GAL und TAN Parteien. GAL bedeutet Grün/Alternativ/Libertär und TAN: Tradition/Autorität/Nation. Diese Konflikte waren da, aber die Flüchtlingskrise war nun der Tropfen war, der das Fass für viele hat überlaufen lassen. Die europäische Integration ist die ganze Zeit abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit gelaufen. Aus der Position zu Transnationalismus, zu dem man neben der Offenheit gegenüber Migration, auch Offenheit für europäische Integration und gemeinsamen Weltweiten Klimaschutz zählen kann, ist nun eine neue Konfliktlinie entstanden. Die soziale Klasse die sie trägt, sind auf der einen Seite die „Modernisierungsgewinner“, also gut ausgebildete Menschen, die dank Sprachkentnissen in verschienen Ländern leben und vernetzt sind versus abgehängten Personen in den Peripherien.
Nun gibt es eben zwei Parteien, die sich eindeutig Positionieren zu diesen Fragen: Als Befürworter die Grünen, wo junge, gebildete, mobile, sprachgewandte Menschen von Integration und Europa profitieren und auf der anderen Seite eher ältere, weniger gebildete, Menschen die offene Grenzen eher als Problem sehen und davon auch nicht profitieren. Deren Partei ist dann die AfD.
Gute Zusammenfassung, aber bitte mal Korrektur lesen.