Gastbeitrag: „Wir tolerieren eure Intoleranz nicht“

Von Zeit zu Zeit veröffentliche ich Gastbeiträge in meinem Blog zu Themen, die sonst hier wichtig sind. Vor einiger Zeit kontaktierte mich eine Studentin und bat um Auskunft über die Coronaleugner Szene in Freiburg. Daraus entstand dieser Artikel. Da es keine andere Möglichkeit gab zum veröffentlichen, hat sie mich gebeten, diesen Artikel hier zu posten.

„Wir tolerieren eure Intoleranz nicht“

Paula G., der gesamte Namen ist mir bekannt, wird aber hier aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht veröffentlicht.

Seit Januar 2021 finden sich jeden Dienstagabend die Teilnehmer*innen der Querdenken-Bewegung am neuen SC Stadion ein. Mit einem Autokorso demonstrieren sie gegen die Corona-Maßnahmen. Zeitgleich formieren sich Gegenproteste mit dem Ziel, ein Zeichen gegen die Querdenken-Bewegung zu setzen. Unterschiedliche Protestformen treffen hier aufeinander.

Um 17:30 Uhr rollen die ersten Fahrzeuge auf den Parkplatz des neuen SC-Stadions, welcher als Sammelplatz der Querdenker*innen dient. Von hier aus startet der Autokorso quer durch Freiburg. Es sammeln sich kleine a?ltere Autos, große Anha?nger mit Bannern und Musikboxen und auch der SUV fa?hrt bei der wo?chentlichen Querdenken-Demo mit. Einzeln oder auch mit der ganzen Familie reisen die Menschen aus Freiburg und Umland an, um ihre Unzufriedenheit mit der Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen kundzutun.

Doch wo die Corona-Kritiker*innen zusammenkommen, kann der Gegenprotest nicht weit sein. So trifft man zeitgleich auf eine angemeldete Kundgebung am Sammelplatz des Autokorsos. Sebastian Mu?ller ist der Mann, der seit Oktober jeden Dienstag die Gegendemonstration anmeldet. Er ist 38, Rettungsassistent und beobachtet die Querdenken- Proteste seit Ma?rz 2020 mit großem Interesse. Weshalb es ihn jeden Dienstagabend auf die Straße zieht, begru?ndet er folgendermaßen: „Ich finde, dass „Querdenken“ eine sehr problematische Bewegung ist. Zum einen, weil sie auf vielen Verschwo?rungstheorien basiert und viele wissenschaftliche Erkenntnisse negiert. Zum anderen duldet sie bewusst Rechtsextremist*innen in ihren Reihen als starke Stu?tze ihrer Bewegung.“

Im Rahmen einer angemeldeten Kundgebung macht Sebastian Mu?ller mit einem Megafon auf die Abstandsregeln und die Maskenpflicht aufmerksam, welche gro?ßtenteils von den Autofahrer*innen missachtet werden.
Sobald der Autokorso durch Freiburg losfa?hrt – eskortiert von der Polizei und auf unterschiedlichen Routen – lo?st sich die Kundgebung von Sebastian Mu?ller auf.

Doch der Gegenprotest ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Ende.
Zwischen zehn bis 200 junge Menschen organisieren nun mit Fahrra?dern Straßenblockaden. In Kleingruppen oder gemeinsam treffen sie sich an verabredeten Orten, um den vorbeifahrenden Korso an der Weiterfahrt zu hindern. „Wir wollen diesen Menschen zu verstehen geben, dass wir ihre Intoleranz nicht tolerieren“, so Theo Meyer (Name gea?ndert). Er ist seit langer Zeit regelma?ßig bei den Blockaden dabei. Fu?r ihn reichen die Kundgebungen nicht aus. „Warum streikt Fridays For Future am Freitagmorgen? Weil es manchmal nicht ausreicht, einfach nur auf die Straße zu gehen.“
Den Autokorso finde er deshalb sehr problematisch, da es einen großen Unterschied mache, ob 200 Menschen ihre Meinung auf einer Kundgebung kundtun oder ob bis zu 200 Autos hupend durch Freiburg fahren, die gemessen an ihrer Teilnehmer*innenzahl sehr viel o?ffentlichen Raum in Anspruch nehmen.

Nicht selten geraten die jungen Menschen auf den Fahrra?dern in konflikthafte Situationen mit der Polizei, denn anders als die Kundgebung ist ihre Protestform illegal und gilt als Ordnungswidrigkeit. Doch wer rechtzeitig nach den Ermahnungen der Polizei die Reißleine zieht, kommt meist ohne polizeilichen Platzverweis oder Bußgeldbescheid davon.
Trotz Konfrontation mit der Polizei wird das Ziel der Teilnehmer*innen oft erreicht: Die Blockaden legen den Autokorso fu?r kurze Zeit still. Bei gro?ßeren Blockaden mit ein paar duzend Teilnehmer*innen kann das bis zu 30 Minuten gehen. Beschimpfungen wie „Judenbengel“, „Antifa-Schwuchtel“ oder „Merkel-So?hnchen“ muss Theo Meyer dann u?ber sich ergehen lassen.

Sowohl Theo Meyer als auch Sebastian Mu?ller sehen die antisemitischen Inhalte, die von den Querdenker*innen reproduziert werden, mit großer Besorgnis. Vor allem, weil bei Querdenken ganz unterschiedliche Milieus zusammenfinden, unter ihnen prominente Vertreter*innen wie Robert Hagemann von der AfD. „Da findet ein gewisser Abholeffekt statt. Menschen, die die Maßnahmen kritisch sehen, werden von diesem Protest abgeholt und bewegen sich dann eine Zeitlang in einem Umfeld mit rechts oder rechtsextremen Gedankengut“, beobachtet Sebastian Mu?ller.

Seit den Lockerungen geht die Zahl der Teilnehmer*innen des Autokorsos stark zuru?ck. Vergangenen Dienstag durften wegen neuer polizeilicher Auflagen lediglich drei Autos am Autokorso teilnehmen. Ob dieser also bald Geschichte ist oder ob bei einer vierten Welle und neuen Maßnahmen der Protest sich neu entfacht, bleibt abzuwarten.