Gastbeitrag in der Geislinger Zeitung: Geislingen braucht den Rat von Kindern und Jugendlichen

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Sebastian Müller hat in der Geislinger Zeitung einen Gastkommentar veröffentlicht und nimmt darin Stellung zur Diskussion um Kinderbeteiligung in Geislingen. Hier der Kommentar zum nachlesen:

Geislingen braucht den Rat von Kindern und Jugendlichen

Der Landtag von Baden-Württemberg hat am 14.10.2015 den § 41a der Gemeindeordnung geändert und beschlossen: „Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen.

Diese Beteiligung ist bei jedem Vorhaben durchzuführen, das die Interessen von Kindern und Jugendlichen berührt oder wenn eine Planung Einrichtungen für Kinder oder Jugendliche zumindest mitbetrifft: Etwa wenn es um Einrichtungen geht, die von Kindern oder Jugendlichen besonders intensiv genutzt werden, also Sportanlagen, Fahrradwege, Schulen, Schulhöfe, Kinderbetreuungseinrichtungen, oder Spiel- und Bolzplätze. Sogar wenn im Rahmen von Bauleit-, Verkehrs- und Freiraumplanung, öffentliche Freiräume mitbetroffen sind, in denen sich Kinder oder Jugendliche aufhalten und aktiv werden.

Seit 1.12. haben Jugendliche damit einen Anspruch auf Beteiligung. Wird auf diese verzichtet, handelt die Gemeinde rechtswidrig!

Politische und Verwaltungsentscheidungen können dann leicht angefochten werden. Geislingen braucht also den Rat von Kindern und Jugendlichen. Eine Gemeinde darf z.B. diese Beteiligungsrechte auf einen Jugendgemeinderat oder Ähnliches übertragen. Ein Jugendgemeinderat aus Jugendlichen kann jedoch keine Kinder vertreten. Dafür braucht es eigene Beteiligungsformen. Vorbilder dafür gibt es genug.

Die Erfahrung zeigt, dass Kinder und Jugendliche großes Interesse an Beteiligungsprozessen haben. Wichtig ist hier aber, dass sie kinder- bzw. jugendgerecht ablaufen. Auf längere Sicht haben sich viele Entscheidungen, bei denen diese Altersgruppen beteiligt wurden, als qualitativ hochwertig erwiesen. Beteiligung hilft Fehlplanungen zu minimieren und spart damit unnötige Ausgaben, selbst wenn die Planungen etwas länger dauern.

Während sich viele Menschen leicht vorstellen können, dass es bei Jugendlichen aus sozialen, entwicklungspsychologischen und politischen Gründen sinnvoll und notwendig ist, diese an den sie betreffenden Fragen zu beteiligen, haben wir bei Kindern schon größere Probleme, uns das vorzustellen. Kein Mensch wird aber schlagartig mit dem Eintritt ins Jugendalter politisch, sondern die Voraussetzungen werden – so belegt die aktuelle Forschung – bereits ab dem frühen Kindesalter gelegt.

Auch ist es aus pädagogischen Gründen sinnvoll, Kindern bereits früh zu vermitteln, dass ihre Entscheidungen Konsequenzen haben: Das fängt in der Familie an, geht in der Kindertagesstätte und in der Schule weiter, endet aber nicht im Verein oder in der Gemeinde.

Für die Beteiligung von Kindern gibt es zahlreiche gute Verfahren: Ob nun durch einen Kinderbeirat, durch Kinderkonferenzen, Stadtteilbegehungen oder vorhabenbezogene Beteiligung, etwa bei der Umgestaltung eines Spielplatzes.

Dabei muss man soziales Engagement, politische Beteiligung und Politiklernen voneinander unterscheiden. Politiklernen ist beispielsweise die spielerische Abstimmung vor der Bundestagswahl in der so genannten U18-Wahl, bei der Kinder und Jugendliche wählen dürfen.

Wenn ich in meiner Freizeit Jugendlichen Migranten unentgeldlich Deutschnachhilfe gebe, dann ist das soziales Engagement. Wenn ich mich aber mit meinen Mitmenschen öffentlich dafür einsetze, dass  die Schulbildung verbessert wird, dann ist das politische Beteiligung.

Beteiligung bedeutet für die politischen Entscheidungsträger im Rathaus, Macht abzugeben.

Wer stark ist, bekommt das hin und bekommt dafür in bessere, akzeptiertere Politik, die zugleich mehr Menschen mitnimmt.

Ich halte es mit Theodor Heuss (FDP): “Man muß das als gegeben hinnehmen: Demokratie ist nie bequem.”