Gedanken zu Veränderung §41a GemO BW

Zur Zeit wird von verschiedenen Stellen darüber diskutiert, dass die Gemeindeordnung Baden-Württemberg novelliert werden soll. Dabei hat die neue Landesregierung zum teil wohl auch im Sinn die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger zu stärken.

In diesem Zusammenhang wird auch darüber diskutiert wie der Paragraph der Jugendbeteiligung in der Gemeindeordnung (§41a) regelt  verändert werden könnte.

Bereits jetzt ist Baden-Württemberg mit dieser Regelung vorbildlich und hat eine besserer rechtlicher Rahmen als die meisten Bundesländer. Die breite Strukturen an Jugendgemeinderäten und anderen Jugendbeteiligungsmodellen in unserem Bundesland ist Zeugniss davon. So ist Baden-Wüttemberg das Bundesland mit über 80 Jugendgemeinderäten, einem Jugendgemeinderatsdachverband, zahlreichen unterschiedlichen Beteiligungsformen, projektbezogener Jugendbeteiligung, …

Die Gemeindeordnung Baden-Württemberg bietet schon heute zahlreiche Möglichkeiten (Jugend)beteiligung zu realisieren! Siehe dazu auch den Hinweis auf den Artikel von Yvonne Müller unten.

Bei der Diskussion müßen wir stets daran denken, dass Jugendbeteiligung gut ist für Politik!
Sie führt zu einern höhere Legitimät der Entscheidungen des politischen Systems und verbessert die „Policy Outcomes“, daher die Ergebnisse der Entscheidungen werden besser. Auf der lokalen Ebene kann sie auch dazu führen, dass Jugendliche eine stärkere Bindung an ihre Kommune entwicklen, sich lokalpolitisch engagieren. Dies führt im interkommunalen Standortwettbewerb zu Vorteilen.
Darüberhinaus ermöglicht Jugendbeteiligung ein Lernen über und durch Politik, ein aktives und gestaltendes Lernen, ausserhalb des trokenen Unterichts an Schulen.
Die weitere Ausbreitung von Jugendbeteiligung in Form von Jugendgemeinderäten oder anderen Formen ist Ausdruck einer Vergrösserung der Öffentlichen Sphäre und einer Erweiterung des Diskursrahmens, um die bisher ausgeschlossene Gruppe der Jugendlichen. Sie ist also eine praktische Umsetung der deliberativen Demokratie Jürgen Habermas.

Jugendbeteiligung ist nach meiner Aufassung bereits ein Wert an sich, unabhängig von den Ergebnissen. Denn: „Freiheit, die nur gewährt wird, wenn im Voraus bekannt ist, dass ihre Folgen günstig sein werden, ist nicht Freiheit. Wenn wir wüssten, wie Freiheit gebraucht werden wird, würde sie in weitem Maße ihre Rechtfertigung verlieren. Wir werden die Vorteile der Freiheit nie genießen, nie jene unvorhersehbaren neuen Entwicklungen erreichen, für die sie Gelegenheit bietet, wenn sie nicht auch dort gewährt ist, wo der Gebrauch, den manche von ihr machen, nicht wünschenswert erscheint. Es ist daher kein Argument gegen individuelle Freiheit, dass sie oft missbraucht wird.“ (Zitat Hayek, nach Ottmar Issing, in FAZ,net 12.11.2011)

Daraus leiten sich für mich die folgenden Prämissen ab:

Daraus leiten sich für mich die folgenden Prämissen ab:
  • Beteiligung(sprojekte) müßen Scheitern dürfen. Das Scheitern eines einzelnen, konkreten Beteiligungsprojektes, darf nicht als Vorwand für das Scheitern von Jugendbeteiligung im allgemeinen verwendet werden.
  • Gelebte Beteiligung hängt von mehr als Rechtsrahmen ab! Zu gelingender Beteiligung braucht es die rechtlichen Vorraussetzungen, aber auch den Willen der beteiligen (Lokalpolitiker) und der zu beteiligenden Jugendlichen.
  • Von Seiten des politischen Systems ist es notwendig Ausreichende Finanzierung bzw. Personelle Resourcen bereit zustellen
  • Daneben ist die Beteiligungsoffenheit des politischen Systems, daher die Offenheit aus Forderungen aus dem Beteiligungsverfahren einzugehen und diese Aufzunehmen. Nicht jedoch notwendigerweise, sie nach öffentlicher Diskussion vielleicht wieder zu verwerfen.
  • Daher muß Beteiligung von Jugendlichen (+ Politik) gewollt sein. Beteiligungskanäle, wie Jugendgemeinderäte dürfen nicht überfordert werden, nicht zu allen Themen und unter allen Umständen, ist Beteiligung sinvoll oder zielführend. Die Themen müßen wichtig und zentral sein und ein ausreichendes Intressepotential bieten.
  • Die Ergebnisse von Beteiligungsprozessen müßen sichtbar werden, um das Selbstwirksamkeitskonzept der Beteiligten zu stärken und um gegenüber der Öffentlichkeit diese zu dokumentieren.
  • Sowohl offene, spontane  und unverbindliche Formen (Jugendforen, Stadtteilspaziergänge, Umfragen, …) wie auch langfristige, konventionelle und traditionelle Formen (Jugendparteien, Stadtjugendring, Jugendgemeinderäte, …) haben Berechtigung und ihren Platz, da sie unterschiedliche Gruppen ansprechen und in unterschiedlichen Settings ansetzen. Sie schliesen einander nicht aus und ergänzen sich.  Es gibt nicht “die Beteiligungsform” sondern immer einen auf die lokale Situation zugeschnittenen Mix
Die Gegenwärtige Rechtslage in Baden-Württemberg ist in §41a der Gemeindeordnung geregelt. Sie schreibt nicht zwangsweise Jugendbeteiligung vor, sondern gibt den Komunen die Möglichkeit, diese durchzuführen:

§ 41a Beteiligung von Jugendlichen aus der Gemeindeordnung Baden-Württemberg

(1) Die Gemeinde kann Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen. Sie kann einen Jugendgemeinderat oder eine andere Jugendvertretung einrichten. Die Mitglieder der Jugendvertretung sind ehrenamtlich tätig.

(2) Durch die Geschäftsordnung kann die Beteiligung von Mitgliedern der Jugendvertretung an den Sitzungen des Gemeinderats in Jugendangelegenheiten geregelt werden; insbesondere können ein Vorschlagsrecht und ein Anhörungsrecht vorgesehen werden.

In Schleswig-Hollstein ist die Jugendbeteiligung ebenfalls in der Gemeindeordnung geregelt. Sie erwähnt jedoch nicht den Begriff Jugendgemeinderat, schreibt aber Jugendbeteiligung verpflichtend vor:

Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein  § 47 f Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

(1) Die Gemeinde muss bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Hierzu muss die Gemeinde über die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner nach den §§ 16 a bis 16 f hinaus geeignete Verfahren entwickeln.

(2) Bei der Durchführung von Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, muss die Gemeinde in geeigneter Weise darlegen, wie sie diese Interessen berücksichtigt und die Beteiligung nach Absatz 1 durchgeführt hat

Sollte man nun den Rechtsrahmen weiterentwicklenb bzw. Jugendbeteiligung weiterhin fördern wollen, wären die folgenden Schritte sinnvoll, bzw. daraus leite ich folgende Forderungen ab:

  1. Veränderung des Abs. 1 §41: „Die Gemeinde muß Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen. Sie kann einen Jugendgemeinderat oder eine andere Jugendvertretung einrichten. Die Mitglieder der Jugendvertretung sind ehrenamtlich tätig.“ Damit wird Beteiligung vom kann zur muß Vorschrift und die Komunen sind verpflichtend, Jugendliche zu beteiligen.
  2. Jugendbeteiligung ist Aufgabe der kommunalen Verwaltung und der Landespolitik. Die kommunale Verwaltung muß Strukturen vor Ort schaffen, die Landespolitik den rechtlichen Rahmen, die Förderung für den Dachverband als Kommunaler Spitzenverband im gleichem Rang, aber nicht notwendigerweise in gleicher Höhe wie der Landesjugendring oder Gemeindetag und die Qualifizierungsangebote für Betreuer und Jugendgemeinderäte.
  3. Politik muß sich der Beteiligung von Jugendlichen öffnen und sich ihrer annehmen.

Ich hoffe auf eine Rege Diskussion in den kommenden Wochen und eine gemeinsam Position möglichst vieler Jugendpolitischer Akteuere.

Weitere Informationen

Landeszentrale für politische Bildung BW: http://www.lpb-bw.de/5822.html

Übersicht Rechtslagen Deutschland: http://www.bpb.de/popup/popup_grafstat.html?url_guid=J1E8P0

Rheinland-Pflaz Jugendgemeinderäte http://net-part.rlp.de/vernetzung/modelle/institutionelle-formen/kinder-und-jugenparlamente-und-beiraete/

Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Jugendgemeinderat

Müller, Yvonne; „Studie im Südweststaat Gesetzliche Möglichkeiten zur Beteiligung Jugendlicher nach Gemeindeordnung“ in Projekt Arbeit 2 / 2002, Sersheim,

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