Närrisches Treiben von Querdenker zeitweise außer Kontrolle in Freiburg

Querdenken hat sich mit der Freiburger Polizei in der Innenstadt ein Katz-und-Maus-Spiel geliefert. Die Polizei war nicht immer Herr der Lage, Demoteilnehmer aus der Antro Szene lieferten sich Rangeleien mit der Polizei und Hools griffen Andersdenkende an. Die Demo auf dem Platz der alten Synagoge wurde verhindert, aber weiteres Treiben nicht.

Jeder Bericht von einer Demonstration kann immer nur subjektiv sein, da man selbst immer nur einen Ausschnitt erlebt. Dennoch werde ich versuchen hier aus meinem Erleben, aus Berichten und aus Sozialen Medien eine Darstellung und eine Bewertung zu geben.

Weihnachtlicher Polizeikessel

Auf der Demo waren Menschen aus der südbadischen Querdenker-Szene, Menschen aus dem überregionalen Querdenken-Umfeld, und auch Menschen aus der Hool- und Kampfsportszene. Diese beiden Bewegungen scheinen zumindest Kontakte zu haben oder sich zu vermischen. Es ist schwierig eine genaue Anzahl anzugeben, da die gesamte Masse ja nie an einem Platz war. Persönlich würde ich auf um 300 Menschen tippen, die durch die Innenstadt zogen oder in einer anderen Zone aktiv waren. Darunter auch bekannte Größen der Szene wie Michael Ballweg, Samuel Eckert oder Nana Domena, aber auch lokale „Szenegrößen“ wie Juliane P. Diese Demonstranten wirken erst mal bürgerlich, teils auch alternativ und würden weder in einem Mittelklasse-Restaurant auffallen noch im Alnatura-Supermarkt.

Aber zunächst zum Anfang: Schon letzte Woche hat die Stadt Weil am Rhein die Querdenken-Demo, für die lange mobilisiert wurde verboten. Darauf wurde in diversen Telegramm-Kanälen der Szene als Ersatz zur zunächst erlaubten Samstags-Kundgebung nach Freiburg gerufen, wo auch Szenegrößen wie Ballweg auftreten sollten; diese hat die Stadt Freiburg dann heute früh verboten.

Das schien zunächst erfolgreich. Die Querdenken-Leute kamen in kleinen Gruppen auf dem Platz, wurden dort weggeschickt oder wenn sie blieben wurden die Personalien festgestellt. Zunächst dachte ich, es könnte ruhig bleiben und die Leute würden frustriert nach Hause gehen. Aber diese Gruppen durften dann durch die Stadt ziehen, als wären es nicht die Gleichen. Ebenfalls konnten auffällig große Gruppen – die Stadt war sonst quasi leer, Einkaufen kann man ja nicht – vom Platz der alte Synagoge zum Stadtgarten und von dort auf den Schlossberg und danach wieder in die Innenstadt laufen, größtenteils ohne Begleitung oder Behelligung durch die Polizei.

Zunächst zum Stadtgarten und dann auf den Schlosserg.

Da im Stadtgarten stand auch die Polizei und noch mehr Polizei mit Kastenwägen auf dem Karlsplatz, wo sie die Brücke zum Stadtgarten gut im Blick hatten und tat nichts. Von dort bewegten sich die Leute dann auf den Schlossberg, alles beobachtet von Polizisten in warmen Sprintern. Als die Gruppen schon alle auf dem Berg waren, kam mit Abstand dann ca. 10 Polizeibeamte mit dem Leiter vom Revier Nord und bestiegen auch den Berg.

Bis dahin würde ich vom ganz normalen Querdenken-Geschehen sprechen. Man probiert Demo zu machen, die ist verboten, man geht woanders hin. Unterhalb des Kanonenplatz gibt es auch einen kleinen schattigen Platz mit vielen Bäumen, da standen die Leute die nicht bis ganz auf den Kanonenplatz gingen und fingen eine Art Gottesdienst an. Die Gruppe von Polizisten, die sich den Platz hoch bewegten, gingen die Treppe weiter hoch in Richtung Kanonenplatz.

Dort war auch eine Frau mit lila Jacke und Boombox, die auf unsere Gruppe sportlicher Männer, es waren da noch zwei Bekannte zu mir gestoßen, zeigte und so etwas sagte wie: „Die sind von der Antifa.“ Einer von denen sah aus wie ein Fastnachts-Ninja: Schwarze Trainingsmaske mit Ventilen, schwarze Sturmhaube, schwarze Jacke, Handschuhe und Schlagstockschirm. Er machte uns dann klar, das wir hier zu verschwinden hätten, weil er uns sonst verprügeln würde. Da er uns immer mehr bedrängte und bedrohte, gingen wir schließlich.

In der Innenstadt lieferte sich die Querdenker dann mit der Polizei ein Katz-und-Maus Spiel. Sie konnten, bis ein Teil von ihnen vor dem Cafe Schmidt eingekesselt wurde – was den Straßenbahnverkehr in Freiburg erst mal für mehrere Stunden unterbrach – ungestört und singend durch die Stadt ziehen. Auch danach waren noch Gruppen und Kundgebungen von ihnen aktiv.

Das Video stammt aus der Querdenken-Gruppe selbst, es ist auf 15:25 datiert. Etwas zur gleichen Zeit waren wir auf dem Weg in die Stadt, wo auch Gruppen von Querdenkern ungestört herum liefen und dann auch ein Herr aus der Freiburger Anthroposophen-Szene, mit einem Besenstiel auf der Demo war, der sich auch noch eine Rangelei mit der Polizei lieferte.

Wie ist die Police Performance?

Leider habe ich den Eindruck, dass die Polizei stellenweise dem Versuch des Katz-und-Maus-Spiels, der Querdenker nicht Einhalt gebieten konnte. Teilweise wirkten polizeiliche Maßnahmen inkonsequent. So wurde zwar ein Teil der Querdenken-Demo eingekesselt, gleichzeitig konnte aber eine Gruppe um Juliane P. vor dem Kessel eine Kundgebung ungestört abhalten, da wurden auch keine Personalien aufgenommen, lediglich nach mehr als einer Stunde durchgesagt, dass wenn sie jetzt nicht gehen, dann würde man sich auch um sie „kümmern“.

https://twitter.com/realMarlonWe/status/1340337639438860294?s=20

Wenn es also Ziel der Polizei war, Demos zu unterbinden, dann ist das aus meiner Sicht nur halb erfolgreich gewesen. Die große Veranstaltung auf dem Platz der alten Synagoge wurde unterbunden, dafür gab es den ganzen Nachmittag närrisches Treiben in Kleingruppen in der gesamten Innenstadt, inklusive einer Kundgebung direkt vor dem Polizeikessel und Bedrohung von Andersdenkenden.

https://twitter.com/Astraketee/status/1340328591427399680?s=20

Während die Polizei mit dem Kessel teilweise gebunden war, konnten weitere Querdenker-Grüppchen im Bermuda-Dreieck quasi ihre Happenings abhalten:

In der Pressemitteilung der Polizei heißt es: „Darüber hinaus wurde weitestgehend die seitens der Stadt ausgesprochene Verbotsverfügung befolgt, so dass das Polizeipräsidium Freiburg einen insgesamt friedlichen Einsatzverlauf konstatieren kann“. Jetzt wird man als Behörde sicherlich nicht in einer Pressemitteilung einräumen, dass der eigene Versuch Demonstrationen zu unterbinden nur teilweise erfolgreich war. Und die Querdenker leben natürlich davon auch möglichst zu zeigen, dass sie „gewonnen“ haben, aber dennoch stellt eine solche Äußerung in Frage wie akkurat das Lagebild der Personen ist, die diese abgeben.

Jetzt sollte man auch nicht im Spin nach der Demo, aus Empörung oder sonstigen Motiven ein zweites Leipzig oder sonst war herbeireden, weil man dadurch genau das Narrativ der Corona-„Rebellen“-Szene bestärkt. Komplett erfolgreich war aber der Polizeieinsatz auch nicht. Es war nicht immer friedlich, es wurden Polizeibeamte und Andersdenkende angegriffen und die Auflagen konnte nur teils umgesetzt werden. Zutreffen ist sicher die Beschreibung: „An unterschiedlichen Örtlichkeiten innerhalb Freiburgs wie beispielsweise dem Kanonenplatz oder im Bereich des Stadtgartens konnten im Laufe des Nachmittags in unterschiedlicher Größenordnung Gruppen angetroffen werden, die augenscheinlich dem Demogeschehen zuzuordnen waren. Im Bereich der Bertoldstraße wurde gegen 15:45 Uhr eine Gruppe von 80 Personen festgestellt, durch Einsatzkräfte kontrolliert und jeweils deren Personalien erhoben.“

Der Maronimann, das ist der, der immer auf der Kajo Maronis verkauft und da keine Maske trägt, war gestern richtig auf Krawall gebürstet und wurde mitgenomen. .

Während ein Teil der Querdenker eingekesselt war, hielt ein anderer Versammlungen ab und konnte auch fröhlich von diesen livestreamen. Wenigstens bemerkt der Artikel der Badischen Zeitung, dass in den sozialen Medien, den Querdenkern deutliche Ablehnung entgegen schlägt.

https://twitter.com/nightmare_keks/status/1340329293872844800?s=21

Sag mir: Wie haltet ihr es mit Rechtsextremisten?

Sozusagen fast eine Gretchenfrage der gesamten Bewegung. Und die lässt sich inzwischen ganz deutlich beantworten: Die sind nicht mehr nur so dabei, sondern inzwischen so eine Art „Demo-Security“. Von älteren Damen 50+ in lila Jacke angeleitet, „kümmern“ sie sich um Menschen, die sie als Links lesen und bedrohen sie. Daher sie sind inzwischen integraler Bestandteil der Bewegung. Spätestens mit dem heutigen Tag kann man davon ausgehen, dass Schlägertrupps teil der Demo-Strategie sind und dass sich auch die Freiburger Querdenker-Aktiven mit diesen gemein machen.

Auch wieder da: Der Herr mit dem außergewöhnlichen Maskendesign, das auch in der rechten Szene beliebt ist.

Auch sonst war einiges an Zeichen oder Symbole zu sehen, die auf eine weitere Vermengung der rechten und Querdenken-Szene hindeuten:

Diese Symbolik auf der Maske wird von Michale Quendt übrigens eindeutig der Verharmlosung des NS zugeordnet.

Aktualisierungen (Montag 20.12. 23:15)

Mindestens so krass wie das Video bei dem Querdenker völlig unbehelligt durch die Stadt ziehen, welches derzeit empört in Netzwerk Freiburg diskutiert wird, ist aus meiner Sicht dieses auf dem sie (räumlich) vor dem Polizeikessel, ohne Maske und Abstand, ihre „Versammlung“ abhalten – aus der auch live gestreamt wurde.

Man fragt sich schon warum ein Teil der Leute eingekesselt wird – immerhin erheblicher Grundrechtseingriff – und ein anderer Teil, der genau das gleiche tut, nämlich verbotswidrig demonstrieren – nicht eingekesselt wird. Und es wurden auch keine Personalien festgestellt, sondern dies nur per Durchsage androht. Das stellt nämlich auch die Legitimation des Kessels an sich in Frage.

Wenn jetzt Bürgermeister Stefan Breiter in der Badischen Zeitung zitiert wird mit: „sei die Strategie der Polizei, die „Versammlung zu zerstreuen“ und deren „Teilnehmer auch mal kleinteilig machen zu lassen“ aufgegangen“, dann erweckt das auf mich den Eindruck, dass hier Kontrollverlust im Nachhinein zur Polizeitaktik erklärt wird.

Neben diesen Screenshots haben mir auch Personen direkt berichtet, dass sie angegangen wurden.

„Kleinteilig machen lassen“, bedeutet dann wohl dass Gruppen durch die Innenstadt ziehen können und Passanten bedrohen und anpöbeln, die keine Maske tragen, ohne dass es Konsequenzen gibt.

„Man habe,“ so geht das Breiter Zitat weiter, „Informationen über mögliche Gegendemonstrationen gehabt.“ Genau – es gab einen unspezifischen Aufruf im tacker. Aber sonst keine Planungen, Werbung, etc … auch keine Ansammlungen entsprechender Personen. Spätestens da hätte man sich denken können, dass es keine „Gegendemo“ (gegen was eigentlich? Gegen eine sowieso verbotene Demo, deren Teilnehmer*innen auch schon konsequent vertrieben wurden?) gibt.

Fazit

Die Demo in Weil war zwar verboten, die in Freiburg auch, aber das stört Querdenker und ihre Anführer nicht Kundgebungen abzuhalten und zu demonstrieren. Dabei scheuen ihre Anhänger auch nicht Konflikte mit der Polizei, mindestens verbale, führen aber durchaus Waffen und gefährliche Gegenstände bewusst auf Demonstrationen mit. Ob es jetzt für eine Polizei überraschend ist, dass Menschen die nicht demonstrieren dürfen irgendwie versuchen ihre Demonstration zu erzwingen, das ist nicht verwunderlich.

Daneben werden sie von sportlichen jungen Männern begleitet, die als links gelesene Personen bedrohen. Diese Begleittrupps sind nicht zufällig da, sondern quasi Teil des Demonstrationsgeschehens.

Für den Kontrollverlust der in Freiburg passierte, gab es in der Querdenken Szene Blaupausen und er wurde in Leipzig, Dresden, Frankfurt oder Berlin durchgespielt. In Freiburg war es nicht so krass, wie in anderen Städten, aber auch nur weil weniger Menschen anwesend waren.

Es ist zu befürchten, dass der Verlauf des Samstags, die Szene eher beflügelt auch in Freiburg aggressiver aufzutreten. Es ist zu hoffen, dass aber die Polizei und Stadtverwaltung bemerkt, mit wem sie es zu tun haben. Die Instagram-Story zum Verbot war die erste Wortmeldung von OB Martin Horn überhaupt zu diesem Thema.

Auch sonst hatte ich in der Stadt Politik bisher den Eindruck, man findet es ganz gut, dass es doch mal Gegenproteste gegen die Corona-„Rebellen“ gibt, aber sonst will man damit nicht so wirklich was zu tun haben und denkt, dass durch Ignorieren sich das Problem lösen wird. Gerade im Bereich der „Aufklärung“ und „Information“ scheinen die einzigen Personen die sich engagieren die Querdenker zu sein.

Dabei ist aus meiner Sicht und aus den Rückmeldungen die ich bekomme, klar dass ein Großteil der Bevölkerung, insbesondere diejenigen die im Gesundheitswesen arbeiten, Inhalte und Formen dieser Bewegung ablehnen.

3 Gedanken zu „Närrisches Treiben von Querdenker zeitweise außer Kontrolle in Freiburg“

  1. Man könnte sich ja denken :“ lass sie machen, das sind nur ein paar Ignoranten“
    Leider müssen wir alle für die Ignoranz und den Egoismus dieser Leute die Konsequenzen tragen.
    Es geht mir nicht in den Kopf, wie diese Leute mit Luftballons in der Hand und „Oh wie ist das schön“ klatschend und singend durch die Straßen laufen können, während auf den Intensivstationen viele Menschen den Kampf gegen dieses Virus verlieren. Wie fühlen sich die Angehörigen wohl bei solchen Bildern.
    Diese Querdenker sind die hässlichste Fratze, die Corona hervorgebracht hat.
    Corona ist (hoffentlich) bald kein Problem mehr. Die Bilder und Videos dieser unsolidarischen Menschen werden allerdings für immer im Internet verbleiben. Irgendwann wird man den eigenen Kind oder Enkelkindern erklären müssen, wieso man zu der kleinen Gruppe gehört hat, die nix dazu beigetragen hat, um das Virus einzudämmen oder wieso man das Leben anderer in Gefahr gebracht hat.

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